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Auf Irrwegen hin zu einer digitalen Verwaltung

Öffentlicher Dienst
19. April 2023

Nun trifft es die Abiturientinnen und Abiturenten in NRW. Anstatt ihre Abiturklausuren am heutigen Tag zu schreiben, wurden sie nun wegen eines technischen Problems auf den kommenden Freitag verschoben. Es scheint so als läge ein Fluch über dem Öffentlichen Dienst und seinem Vorhaben digitaler zu werden. Immer wieder gibt es deutschlandweit Schlagzeilen von Pannen und Cyberangriffen in Verwaltungen, Schulen, Universitäten und anderen Institutionen.

Eins ist klar, Digitalisierung bringt zwar viele Vorteile und Chancen mit sich, aber sie stellt den Öffentlichen Dienst auch vor eine Reihe von Herausforderungen und Problemen. Beispielsweise wurde laut einer Studie der Universität Siegen im Auftrag des Nationalen E-Government-Kompetenzzentrums (NEGZ) von 46 % der befragten Verwaltungsmitarbeitenden private Mobilgeräte für dienstliche Zwecke genutzt. Unter dem Begriff „E-Government“ ist im Übrigen die Digitalisierung des Verwaltungsapparats zu verstehen. Die hohe Nutzung privater Geräte in diesem Ausmaß ist erschreckend, da damit teils enorme Sicherheitslücken einhergehen können. Hier muss dringend etwas getan werden, um weitere Cyberangriffe zu verhindern und personenbezogene Daten zu schützen.

Das sogenannte Onlinezugangsgesetz (kurz: OZG) schrieb bis zum 31.12.2022 vor, dass alle Leistungen der Verwaltung auch digital angeboten werden sollten. Dieses Vorhaben wurde deutlich verfehlt. Laut des Jahresberichtes aus 2022 dazu haben nur 33 von 575 Verwaltungsservices dies geschafft (dbb). Nun soll ein OZG 2.0 die Digitalisierung beschleunigen. Doch wie aus einer anderen Studie der Unternehmensberatung McKinsey hervorgeht, werden dem Öffentlichen Dienst in Deutschland bis 2030 rund 140.000 IT-Spezialisten fehlen. Dies hemmt die voranschreitende Digitalisierung enorm und wird den bereits bestehenden IT-Fachkräftemangel verstärken. Ein Grund ist hierbei auch, dass der Öffentliche Dienst den IT-Fachkräften deutlich geringere Einkommen bietet als die freie Wirtschaft. Die Arbeitsbedingungen müssen hier deutlich attraktiver werden. Ansonsten wird es schwierig, das Image des Öffentlichen Dienstes im Bereich der Digitalisierung zu verändern.

Im Voranschreiten der Digitalisierung darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass sowohl alle Beschäftigten als auch alle Bürgerinnen und Bürger mit auf den Weg genommen werden. Es kann nicht sein, dass es durch eine vermehrte Digitalisierung zu Ausgrenzung von Personengruppen kommt. Denn der Öffentliche Dienst greift hier als Schnittstelle zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern und muss daher für alle Menschen erreichbar sein.

Gerade mit Blick auf die Problematik, dass in den nächsten Jahren viele Beschäftigte aus Altergründen in den Ruhestand gehen und die personelle Unterbesetzung in vielen Behörden zunehmen wird, könnte ein Digitalisierungsschub dafür Sorge tragen, dass Aufgaben effizienter erledigt werden. Auch eine schnelle Übermittlung von Unterlagen könnte für Zeitersparnisse sorgen. Daher ist Eile gefragt. Doch eine Umsetzung auf Biegen und Brechen wäre ebenfalls fatal, da vor allem Sicherheitsvorkehrungen mitgedacht werden müssen, eine ausreichende Infrastruktur vorhanden sein muss und Fachkräfte mitgenommen werden müssen. Denn auch Strukturen und Abläufe von Arbeitsprozessen müssen bei der Umsetzung mitgedacht werden, um Chaos zu vermeiden.  Das bedeutet, hier einen kühlen Kopf zu bewahren und überlegt voranzuschreiten.

Doch es gibt auch schon bekannt positive Digitalisierungsbeispiele in der öffentlichen Verwaltung.  Beispielsweise lassen sich Steuererklärungen in Deutschland seit einigen Jahren elektronisch einreichen. Elster, die entsprechende Software, wurde bereits 1996 als Projekt gestartet und seitdem immer wieder kontinuierlich weiterentwickelt. Im Jahr 2021 wurden so insgesamt 43,9 Millionen Steuererklärungen elektronisch an die Finanzämter übermittelt. Mit Blick auf diese Entwicklung entsteht etwas Zuversicht für den Öffentlichen Dienst.

Für die verschobenen Abiturklausuren drückt die dbb jugend nrw allen Schülerinnen und Schülern die Daumen. Wir hoffen, dass ihr trotzdem nicht die Lust an Digitalisierung verliert und mit guten Ideen für Verbesserungen in eine Berufsausbildung oder Studium startet – aus unserer Sicht natürlich am liebsten im Öffentlichen Dienst.

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