Jugendliche fühlen sich politisch unbeachtet
Vertrauen in Institutionen sinkt
Unbeschwerte Jugend? Leider nein! Viele junge Menschen fühlen sich ohnmächtig, unbeachtet und ohne Chance. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. Mehr als die Hälfte wirft der Politik mangelndes Engagement vor die Probleme der Zeit überhaupt anzugehen. Die Details:
Unzufriedenheit und zunehmende Resignation machen sich unter der Mehrzahl junger Menschen breit, so ergab jetzt eine Studie der Universität Bielefeld. 78 Prozent der befragten Jugendlichen sind davon überzeugt, keinen Einfluss auf die Politik in Deutschland zu haben und das trotz des Aufkommens von Bewegungen wie „Fridays for Future“. 72 Prozent der jungen Menschen zwischen 6 und 16 Jahren denken sogar, dass sich die Politik nicht einmal dafür interessiere, was sie denken. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) spricht den Politikern gar das Bemühen ab, die Probleme in unserer Gesellschaft überhaupt lösen zu wollen.
”Die Vorurteile Kinder und Jugendliche interessierten sich nur für sich, können in keinster Weise bestätigt werden.
Holger ZieglerSozialforscher Uni Bielefeld
Ein weiteres überraschendes Ergebnis der Studie: Kinder und Jugendliche machen sich – obwohl sie selbst nicht gesehen werden – Sorgen um andere Bevölkerungsgruppen. 65 Prozent finden, dass beispielsweise für Rentnerinnen und Rentner zu wenig getan werde. „Die Vorurteile gegenüber der jungen Generation, diese ‚würde sich nur für sich selbst interessieren‘, können in unserer Studie keinesfalls bestätigt werden“, sagt Studienleiter Holger Ziegler.
Der Sozialwissenschaftler bescheinigt den Kindern und Jugendlichen laut der repräsentativen Ergebnisse ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. 83 Prozent gaben in der Untersuchung an, sie seien wütend, wenn andere ungerecht behandelt würden. Dazu ergänzend ergab die Studie, dass vor allem Kinder und Jugendliche, die wenig Perspektiven haben, schneller wütend, aggressiv und schneller gewalttätig werden.
Durch gezielte Angebote Situation verbessern
„Das zeigt, wie wichtig es ist, gezielte Angebote an Kinder und Jugendliche zu bringen, die sie in Kommunikation oder Konfliktmanagement stark aufstellen“, sagt Susanne Aumann, Vorsitzende der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw). Als Jugendverband macht das die dbb jugend nrw seit vielen Jahren erfolgreich. „Jährlich finden an verschiedensten Schulen und Schulformen in NRW unsere Workshops statt. „Wir hoffen, so dazu beizutragen, vor allem benachteiligte Jugendliche unterstützen und auffangen zu können“, sagt Aumann.
Das macht einmal mehr Sinn, da Kinder und Jugendliche sensibel in der Wahrnehmung von Ungerechtigkeit durch sozialen Status, Ungleichheit und Chancenverschiedenheit sind. Laut Ziegler sind es vor allem familiäre Erfahrungen, die die Kinder in ihrer Wahrnehmung prägten: Wenn sie sehen, wie die eigenen Großeltern unter wirtschaftlicher Not durch eine geringe Rente litten, steige das Empfinden von Ungerechtigkeit. In diesem Zusammenhang warnt der Sozialwissenschaftler vor den langfristigen Auswirkungen der Kränkung des Gerechtigkeitssinns.
Die gefährlichen Auswirkungen
„Das ist auch mit dem Gefühl verbunden, dass andere auf einen herabsehen“, sagt Ziegler. Wenn viele Aspekte von Schule über Politik bis hin zu gesellschaftlichen Verhältnissen als unfair und ungerecht wahrgenommen würden, sei es wenig verwunderlich, dass auch das Vertrauen in die Institutionen gering sei, sagt der Wissenschaftler. Ähnlich wie auch Jugendforscher Klaus Hurrelmann sieht Ziegler dort einen Zusammenhang zu den Wahlergebnissen der Europawahl.
In Summe halten die Wissenschaftler darum die gezielte Förderung von Kindern- und Jugendlichen für unumgänglich. Denn „Hoffnungslosigkeit ist eine Gefahr für unsere Gesellschaft, eine Gefahr für uns selber“, sagt Bernd Siggelkow, Vorsitzender der Kinderstiftung „Die Arche“ in diesem Zusammenhang dem Fernsehsender ZDF. Die Erkenntnisse aus der Studie der Uni Bielefeld fließen unter anderem in die Kinderförderung des Kinderhilfswerks Die Arche ein.