
Shell-Jugendstudie zeigt viel Optimismus trotz aller Krisen
Auf den ersten Blick stellt die gerade erschienene Shell-Jugendstudie die Ergebnisse der jüngsten Jugenduntersuchungen auf den Kopf: Statt nahezu pessimistisch ist hier von einer „überwiegend optimistischen“ Sicht der Jugendlichen auf die Zukunft die Rede. Was ist denn jetzt Sache? Wie denken junge Menschen, wie wollen sie arbeiten und wovor haben sie Angst?
„Junge Menschen sind sehr besorgt, aber pragmatisch und optimistisch zukunftsgewandt“, fasst Mathias Albert, Leiter der Shell-Jugendstudie 2024 es zusammen. Wie jetzt: optimistisch? – mag man sich wundern. Denn andere Jugendstudien wie die Trendstudie oder die Bepanthen-Befragung kamen da zu ganz anderen Ergebnissen.
”81 Prozent der jungen Menschen haben Angst vor einem Krieg in Europa.
Shell-Jugendstudie 2024
Junge Menschen in Deutschland seien krisengeschüttelt durch die Pandemiezeit, den Angriffskrieg gegen die Ukraine und in Alarmstimmung, was die klimatische Zukunft der Welt angehe – hieß es. Ist die Welt nun plötzlich wieder in Ordnung?
Nicht wirklich in allen Bereichen, zeigt die Untersuchung. 81 Prozent haben Angst vor einem Krieg in Europa, auch Themen wie Klimawandel und Umweltverschmutzung stehen immer noch auf der Sorgenagenda. Auch sorgen sich Menschen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auch zeigt sich bei Jugendlichen mit mittlerem und niedrigerem Bildungsgrad eine zunehmende Sorge um ihre wirtschaftliche Position. All das zeigen auch Jugendstudien, die kleinere Zeitfenster unter die Lupe nehmen und damit eher Momentaufnahmen sind. Die Shell-Studie hingegen arbeitet über einen größeren Zeitraum, um Entwicklungen zu erfassen. Sie fasst Trends der letzten fünf Jahre zusammen.
Hohe Bereitschaft zu politischem Engagement
So zeigt die Shell-Untersuchung beispielsweise, dass das politische Interesse junger Menschen zwischen 12 und 25 Jahren gestiegen ist. Mehr als die Hälfte bezeichnen sich selbst als politisch interessiert. Auch die Bereitschaft zu politischem Engagement ist gewachsen – von 22% im Jahr 2022 auf 37% im Jahr 2024. Im Vergleich zu den anderen Jugendstudien zeigen sich dennoch auch in dieser Untersuchung Ausschläge, wenngleich sie nicht so groß sind wie bei den „Momentstudien“.
So stufen sich Jugendliche zwar im Durchschnitt politisch als leicht links ein. Dennoch aber verzeichnet auch die Shellstudie eine Zunahme rechter und populistischer Orientierung. „Im Vergleich zu vor fünf Jahren geben deutlich mehr Jugendliche an, rechts oder eher rechts zu sein. Im Vergleich zu den Erhebungszeitpunkten davor – 2015, 2010 und 2006 – haben wir allerdings fast gar keinen Anstieg“, sagt Studienautor Albert im Interview mit der „Zeit“. Zudem seien diejenigen, die sich dort politisch einordnen, nun auch eher bereit, auch so zu wählen.
Allerdings ist gleichzeitig die Angst vor Ausländerfeindlichkeit massiv auf über 50 Prozent gestiegen. Auch sorgen sich junge Menschen davor, „was Populismus und Polarisierung mit der Gesellschaft machen“, sagt Albert der „Zeit“.
Hoher Anteil Jugendlicher wünscht sich „starke Hand“ im Staat
44 Prozent der Jugendlichen denken autoritärer. Sie finden „eine starke Hand müsste mal wieder Ordnung in unseren Staat bringen“. Extremistische Positionen werden jedoch von einer großen Mehrheit (81%) abgelehnt. Eine noch höhere Zahl junger Menschen vertraut darauf, dass eine bessere Welt möglich sei und das durch eigenes Engagement erreicht werden könne.
Was optimistisch stimmt: Viele haben ein hohes Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Gesamtgesellschaft. Auch identifizieren sich junge Leute positiv mit dem Staat und der Demokratie. Das Vertrauen in staatliche Institutionen ist sogar gewachsen.
Soziales und gesellschaftliches Mittun steht hoch im Kurs
Gute Nachrichten gibt es auch in Sachen ehrenamtlicher Bereitschaft. Die Shell-Studie fasst zusammen, dass 40 Prozent der befragten Jugendlichen ein im Vergleich zu 2019 erhöhtes soziales und gesellschaftliches Aktivitätsniveau haben.
Trotz der verschiedensten Krisenlagen blicken 56% der Jugendlichen zuversichtlich in die Zukunft, was die gesamtgesellschaftliche Entwicklung angeht. „Anders sieht es jedoch bei der Zuversicht in die eigene Zukunft aus“, schreiben die Studienautoren. Hier ist der Wert seit 2019 um sechs Prozent gesunken. Dementsprechend ist das Bedürfnis nach mehr wirtschaftlicher Sicherheit gestiegen.
Die Botschaft der Jugend: Gerade vor dem Hintergrund zahlreicher Krisen blicken junge Menschen immer noch pragmatisch und positiv in die Zukunft. Forscher Albert sieht darin das überraschendste Ergebnis.
Mehr über die Situation junger Menschen in Deutschland findest du hier: