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Warum Ehrenamtler länger leben

Gesellschaftspolitik
31. März 2023

Zeit ist ein immer knapper werdendes Gut. Warum sich also zusätzlich Arbeit an den Hals hängen? Und das auch noch – wie im Ehrenamt – unbezahlt? Es gibt gute Gründe dafür. Denn wer sich ehrenamtlich engagiert, hat große Vorteile für sich selbst.

Viele haben einen Job, der einen von morgens bis abends fordert. Und wenn dann die Freizeit anfängt, kommt manchmal Stress dazu, weil man gar nicht alle Aktivitäten, Interessen und Freunde unter einen Hut bekommt. Und dann auch noch ehrenamtlich arbeiten – für „umme“?

„Für umme“ ist eine solche Tätigkeit gar nicht. Denn Ehrenamtliche haben viele Gewinne. Solche, die mit keinem Geld der Welt zu bezahlen sind: Sie sind körperlich fitter, leiden seltener an Depressionen, sind zufriedener und haben dadurch sogar ein geringeres Sterberisiko.

Ich halte es für einen der wichtigen Nebeneffekte von Ehrenamt: sich ausprobieren können und praktische Erfahrungen in vielerlei Hinsicht sammeln.

Susanne AumannVorsitzende dbb jugend nrw

Aus Daten des sozio-ökonomischen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weiß man, dass Freizeitaktivitäten, die der Gemeinschaft dienen, einen wesentlich höheren Zuwachs an Zufriedenheit bringen als beispielsweise eine Gehaltserhöhung.

In den USA ist diese Zufriedenheit als fester Begriff – „Helper’s High“ – längst fest in den Sprachgebrauch integriert. Ehrenamt ist auch in Krisen eine gute Strategie, um besser durch solche Zeiten zu kommen, sagen Psychologen. Die Forschung belegt das.

Auch wenn Ehrenamt selbst schon mal stressig sein kann – Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, sind besser in Sachen Stress aufgestellt, wie Neurowissenschaftler herausgefunden haben. Der Grund: Anderen zu helfen wirkt sich positiv auf unser Gehirn aus. Wir empfinden Zusammengehörigkeit. Dadurch schüttet der Körper das Bindungshormon Oxytocin aus. Es wirkt als Gegenspieler zum Stresshormon Cortisol. Chronischer Stress hingegen kann verschiedenste gesundheitliche Probleme verursachen. Dazu zählen Bluthochdruck, ein höheres Risiko für das Erleiden eines Hörsturzes, Herzinfarkts oder Schlaganfalls oder auch Konzentrationsprobleme.

Mehr Lebenszufriedenheit durch sinnstiftende Tätigkeit

Ehrenamtlich tätig zu sein geschieht meist aus der Motivation heraus, etwas für andere tun zu wollen. Denn Menschen sind soziale Wesen, fühlen sich also gemeinhin wohl in einer Gemeinschaft und erleben Aktionen in der Gruppe als sinnstiftend. Wer anderen etwas Gutes tut, fühlt sich selbst besser, so weiß man aus der Forschung. Aus diesem Grund sind ehrenamtliche Helfer meist zufriedener und fühlen sich wohler als andere. Ein weiterer wohltuender Effekt des Ehrenamts.

„Wir bestreiten unseren Lebensunterhalt mit dem, was wir bekommen, aber wir leben von dem was wir geben“, so brachte Winston Churchill es einst auf den Punkt. Ehrenamtliche berichten häufig umgekehrt davon, dass ihnen Wertschätzung und auch Dankbarkeit entgegengebracht werde. Darum verwundert es nicht, dass verschiedene Studien darauf hindeuten, dass Ehrenamtler glücklicher sind und seltener depressiv werden als Menschen, die sich nicht sozial engagieren.

Etwas bewegen können

Denn Menschen, die anderen helfen, erleben ein Gefühl von eigener Bedeutsamkeit. Sie erleben, sozial eingebunden zu sein, etwas bewegen zu können und fühlen sich wahrgenommen und darin bestärkt etwas Wichtiges zu schaffen. Labsal für die eigene Seele also.

Aus diesem Grund war der Rat der Psychologen an die Bevölkerung in der Pandemiezeit, die für die Bevölkerung sehr einschränkend und von Fremdbestimmung und Regeln gekennzeichnet war: häufig Situationen zu suchen, in denen man anderen helfen kann. Der Grund: beispielsweise Angebote zu planen, die unter Einhaltung der Coronaschutzmaßnahmen Abwechslung in den Alltag brachten, stärkt die Selbstwirksamkeit. Denn handelnde Menschen erleben, dass sie mit ihrem Tun etwas bewirken. Sie fühlen sich dadurch weniger ausgeliefert, wie man aus der psychologischen Forschung weiß.

So ist es auch im Ehrenamt. Wenn man als gewerkschaftlich engagierter Mensch beispielsweise bei den Tarifverhandlungen für die eigenen Interessen kämpft, tut man es zeitgleich auch für andere Menschen in anderen Berufen und anderen Gehaltsstrukturen. Man erlebt Solidarität und Gemeinschaft. Das zeichnet viele ehrenamtliche Tätigkeiten aus.

Nutzen für die Persönlichkeitsentwicklung

„Ich halte es für einen der wichtigen Nebeneffekte von Ehrenamt: sich ausprobieren können und praktische Erfahrungen in vielerlei Hinsicht sammeln“, sagt Susanne Aumann, Vorsitzende der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw). „Ehrenamtlich tätig zu sein, sorgt für eine breite persönliche Entwicklung“, so Aumann weiter.

Wer beispielsweise bei der dbb jugend nrw aktiv sei, werde darin unterstützt, persönlich wie auch beruflich voranzukommen. „Mit unserem Seminarangebot unterstützen wir als Jugendverband unsere ehrenamtlichen Mitglieder unter anderem durch Bildungsangebote zu Themenbereichen wie Rhetorik oder Workshops zum Thema Resilienz“, sagt Aumann.

Aus der Komfortzone gelockt

Gerade durch die freiwillige Arbeit in sozialen Bereichen lassen sich Erfahrungen sammeln und der eigene Horizont wird weiter. Man lernt andere Lebensentwürfe kennen und traut sich in anderen Zusammenhängen aus der Komfortzone. „Vor meiner ehrenamtlichen Tätigkeit hätte ich mir nie vorstellen können, vor einer großen Gruppe zu sprechen. Ich bin durch mein Ehrenamt viel freier geworden und in der Persönlichkeit gewachsen“, wie ein Mitglied der dbb jugend nrw erzählt.

Im Ehrenamt lassen sich meist jede Menge neue Erfahrungen sammeln, die sich zum Teil auch beruflich nutzen lassen oder einen Menschen dort voranbringen. Man kann sich in Bereichen ausprobieren, zu denen sie sonst eventuell gar keine Berührung gehabt hätte.

Aus einer Studie, an der ehrenamtlich Tätige bei der Freiwilligen Feuerwehr in den Blick genommen wurden, gaben 65,3 Prozent der Befragten an, die ehrenamtliche Tätigkeit wirke sich positiv auf ihr Berufsleben aus. Fast 56 Prozent der im Feuerwehrdienst tätigen Ehrenamtlichen gab an, dass sie dort erlangtes Wissen auch im Beruf einsetzen könnten.

„Zu guter Letzt bietet auch das Ehrenamt immer die Chance sich zu vernetzen“, sagt Aumann aus eigener Erfahrung. Manchmal helfen diese Netzwerke auch in beruflicher Hinsicht – oder es entstehen daraus neue ehrenamtliche Projekte – oder sogar Freundschaften fürs Leben.

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