
„Wir brauchen einen Dauersendeplatz für Kinder und Jugendliche“
Mehr Gehör für „Zukunft des Landes“
Im politischen Deutschland geht es um die Gestaltung der Zukunft, doch ausgerechnet diejenigen, die die Zukunft sind, kommen darin kaum vor. Jugendliche in Deutschland fühlen sich nicht wahrgenommen, machtlos und sehen beinahe pessimistisch in die Zukunft. Ist das wirklich egal?
Carolin Kebekus statt Sonntagabend-Tatort: Jüngst wunderten sich Millionen ARD-Zuschauer, die in gewohnter Manier ihren Krimi zum Wochenendausklang sehen wollten. Denn statt Mordermittlung gab es zunächst einmal andere Schwerstkost zur prominenten Sendezeit: Einen deutlichen Fingerzeig auf die verheerende Situation von Kindern in Deutschland. Komikerin Caroline Kebekus führt durch die 15-minütige Programmstörung #kinderstören, in der es um einige ihrer drängenden Probleme ging: Armut, soziale Ausgrenzung, Mobbing und die Forderung nach einem Bekenntnis zu Kinderrechten in der deutschen Verfassung.
”Wenn junge Menschen sich derart wenig repräsentiert und wahrgenommen fühlen, kann uns das als Gesellschaft nicht gut tun.
Susanne AumannVorsitzende dbb jugend nrw
Die Zeichen stehen schlecht: Gleich drei kürzlich erschienene Jugendstudien kommen zu einem Ergebnis, wie es trauriger nicht sein könnte: Die Jugend in Deutschland fühlt sich mutlos, machtlos und nicht gehört. Jeder zweite Jugendliche zweifelt am Willen der Politik, Probleme überhaupt lösen zu wollen. Die meisten schätzen ihre Zukunft sowohl wirtschaftlich als auch sozial düster ein. Der jugendliche Optimismus ist dabei abzutauchen. Junge Menschen stehen an der Schwelle zu einer sogar pessimistischen Sicht.
„Diese Entwicklung versetzt uns als Jugendverband in absolute Alarmstimmung“, sagt Susanne Aumann, Vorsitzende der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw). „Wenn junge Menschen sich derart wenig repräsentiert und wahrgenommen fühlen, kann uns das als Gesellschaft nicht gut tun“, sagt Aumann weiter. Aus diesem Grund befürwortet sie solche Aktionen, wie sie die ARD gestartet hat, um Kindern zu prominenter Zeit eine Stimme zu geben.
Jugendverbände strampeln sich ab – Lobby bleibt klein
Denn oft finde Einfluss ausschließlich über Macht und Geld statt. Damit könnten Kinder und Jugendliche jedoch nicht aufwarten. Ihre Lobby bleibe zu klein und das, obwohl sich die Jugendverbände seit Jahren einsetzen und auch der Landesjugendring eine hervorragende Arbeit leiste.
„Zwar gab es gute Absichten, die Interessen junger Menschen zu stärken, wie durch das von Bundesjugendministerin Lisa Paus 2022 gestartete ‚Bündnis für die junge Generation‘, dem ich selbst beigetreten bin“, sagt Aumann. Doch nach einem verheißungsvollen Start mit einflussreichen oder bekannten Menschen aus Politik, Wissenschaft, Sport und Fernsehen sei nicht viel gefolgt. „Es war im Ergebnis ein Pseudostillgehaltenwerden. Konkrete Taten und direkte Beteiligung Jugendlicher blieben aus“, resümiert Aumann. Sie trat aus dem Bündnis aus.
dbb jugend nrw engagiert sich in politischer Teilhabe
Das beschreibe die derzeitige Situation und mache den Frust und die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen nachvollziehbar. Egal, welche politischen Entscheidungen getroffen würden – die Jugend gehe unter. Entgegen dieser Realität sei die Arbeit im politischen Bereich für die jungen Menschen unglaublich wichtig.
„Als Dachverband für junge Menschen im Öffentlichen Dienst erkennen wir die freiheitlich demokratische Grundordnung an, vertreten dies nach außen und vermitteln es in unserer politischen Bildungsarbeit“, sagt Aumann. Dazu zählen Seminare, die Themen wie „Nazi-Diktatur“ und „Hate-Speech“ aufgreifen oder Parlamentarische Abende, bei denen junge Menschen mit Politiker/innen ins Gespräch kommen können. Es sei gerade jetzt wichtiger denn je jungen Menschen Angebote zu machen, die sie interessieren und die sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen.
Netzwerke für die Jugend nutzbar machen
Bildungsgerechtigkeit sei da ein wichtiges Stichwort. Die Rolle, die Jugendverbände an dieser Stelle übernehmen, sei nicht zu ersetzen. Sie kooperieren untereinander und bilden Netzwerke mit weiteren Akteuren. Die dbb jugend nrw kooperiere so über den Landesjugendring Seite an Seite mit anderen Jugendverbänden in NRW, habe darüber hinaus aber auch Kontakte in andere Netzwerke. „Die Talentschmiede e.V. ist einer unserer Kooperationspartner. Wir nutzen dieses Netzwerk in beide Richtungen, um unsere Angebote auch in die jeweils andere Bubble zu spielen“, sagt Aumann.
Wichtig sei es daneben, jungen Menschen zu zeigen, dass sie selbstwirksam sein können. „Wir erfahren das selbst durch unsere ehrenamtliche Arbeit“, betont Aumann. Jugendliche bräuchten Role Models, die das vorleben. Stattdessen jedoch herrsche vielerorts das Vorurteil, junge Menschen wollten sich nicht engagieren, sie würden lieber auf der faulen Haut liegen. „Ich habe andere Erfahrungen gemacht“, stellt Aumann heraus. Jugendliche täten mit. Sie tun es jedoch zeitlich unabhängiger und auch weniger ortsgebunden. Wer junge Menschen gewinnen wolle, komme nicht umhin, sich auf deren neue Welt einzustellen und Dinge in der schneller gewordenen Wirklichkeit anders zu fokussieren.
„In Summe ist es wichtig, ein ernsthaftes Bündnis auf den Weg zu bringen. Eines, das wie ein prominenter Dauersendeplatz fortlaufend Themen, die Kinder und Jugendliche betreffen, zum Thema macht“, sagt Aumann. Ein Zusammenschluss, in dem politisch Verantwortliche, Landesjugendringe, Influencer, Kreative, Prominente und Jugendliche selbst zusammenkommen und an ernstgemeinten Ideen und Entscheidungsmöglichkeiten für junge Menschen arbeiten. „Dafür werden wir immer wieder unser Votum im Landesjugendring abgeben und mithelfen, solche Foren mit Leben zu füllen“, stellt Aumann heraus.
Mehr über die Situation junger Menschen in Deutschland findest du hier: