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Junge Beschäftigte sammeln Ideen, die der Demokratie gut tun

Verbandsleben
22. Dezember 2021

Schon seit fast zwei Jahren zerrt die Pandemie an den Nerven aller und strapaziert das Gemüt jedes Einzelnen. Manche gehen in Gegenwehr. Sie setzen der Ohnmacht Verschwörungsgedanken gegenüber, driften ab in populistische Parolen oder gehen die an, die den Staat repräsentieren. Was könnte man tun, um stattdessen der Demokratie eine Pflege­packung zukommen zu lassen?

Jeder, der im Öffentlichen Dienst arbeitet, hat es auf dem Schirm: das Grundgesetz. Es hält fest, nach welchen demo­kra­tischen Prinzipien die Menschen in diesem Land miteinander leben wollen. Es schützt die Rechte des Einzelnen, die Menschenwürde, die Freiheit des Einzelnen und das Recht, seine Meinung offen zu sagen. Viele Grundrechte also.

Was kann man zum Schutz der Demokratie tun?

Das Volk soll bestimmen und die Politik durch Gesetze dafür sorgen, dass geregelt ist, wie das zu geschehen hat. Aber die, die dafür sorgen, dass es so gemacht wird, bekommen leider oft eins auf den Deckel. Das verpasst auch der Demokratie, für die sie eintreten, Schrammen. Davon wissen viele junge Beschäftigte im Öffentlichen Dienst ein Lied zu singen. Was also kann man tun, um die Demokratie zu schützen? Dieser Frage gingen über 70 junge Mitglieder der Deutschen Beamten­bund-Jugend NRW (dbb jugend nrw) beim Landesjugendausschuss (LJA) im November 2021 in insgesamt fünf Workshops nach und entwickelten dazu einige Vorschläge. Doch bevor wir dazu kommen, ein Blick zurück auf die Ausgangsfrage: Wie wollen wir in der Gesellschaft miteinander leben?

Krise hin, Krise her – die pandemische Lage bietet neben allem Leid, allen Sorgen und der Ungewissheit auch die Chance, die eigene Haltung zu reflektieren und das gesellschaftliche Leben mitzugestalten. Im positiven Sinne ist das eine tolle Gelegenheit, mit eigenen Ideen zur Demokratiebildung beizutragen, schreibt Karina Hauke-Hohl von der Landeszentrale für politische Bildung NRW in dem Buch Coronakratie. Zum Beispiel durch neu geschaffene Nach­bar­schafts­hilfe oder auf anderem Weg. Solidarität könne man schließlich auf verschiedene Weise zeigen.

In Kleingruppen wurde intensiv am Thema gearbeitet

Das Grundgesetz als freiwillig anerkannte Grundlage

Das Problem aber: „Der freiheitliche Staat lebt von Voraus­setzungen, die er selbst nicht garantieren kann“, stellt Hauke-Hohl fest. Denn das Grundgesetz schreibt der Bevölkerung nicht vor, verfassungskonform zu sein. Damit hat es nur dann Bestand, wenn jeder Einzelne eine Art „moralische Selbstverpflichtung“ eingeht und den Willen zeigt, nach den dort festgeschriebenen Werten zu leben. Das Problem an der Sache: Durch die Pandemie ist der Staat plötzlich in der unkomfortablen Situation, die festgeschriebenen Grundrechte der Menschen einzuschränken, um die Ausbreitung einer Krankheit zu verhindern. Um die Würde aller Menschen zu schützen, muss die Freiheit Einzelner eingeschränkt werden. Demokratie steht plötzlich in einem harten Widerspruch.

Kein Wunder also, dass Verwirrung eintritt und sich mancher demokratiemüde zeigt, mitunter sogar darüber po­pu­lis­tischen Auffassungen folgt oder gar extremistische Ideen entwickelt. Aber was kann man tun, um das Vertrauen der Bürger in die Demokratie zurückzugewinnen? Hierüber machten sich die jungen Mitglieder der dbb jugend nrw in einer der Workshopgruppen beim LJA Gedanken. Ihrer Meinung nach helfen Meinungsbildung und Partizipation dabei. Grundvoraussetzung dafür sei allerdings, dass staatliches Handeln transparent sei. Das wiederum könne es nur sein, wenn die Beschäftigten in den verschiedenen Bereichen des Öffentlichen Dienstes – ganz gleich ob beim Sozialamt, bei der Polizei oder in anderen Bereichen – offen mit den Bürgern umgehen, aufklären und versuchen, auch in schwierigen Fällen eine Perspektive aufzuzeigen.

So beschrieb auch Boris Novak, DPolG-Vertreter aus Berlin, seine Wahrnehmung der angespannten Lage: „Die Menschen sind noch dünnhäutiger geworden durch COVID-19.“ Auch die Anschläge auf Institutionen wie das Robert-Koch-Institut durch Corona-Leugner und deren Demonstrationen unter Nichteinhaltung der Schutzmaßnahmen seien eine hohe Belastung für die Bediensteten.

Besonderes Entsetzen brachte Jean-Claude Halter, Präsident der CESI-Europa-Akademie und Vertreter der französischen Lehrergewerkschaft CSEN, über den Mord am französischen Geschichtslehrer Samuel Paty zum Ausdruck. Dieser war Mitte Oktober in seiner Funktion als Lehrer von islamistischen Terroristen enthauptet worden.

Startschuss europaweiter Kampagne

Gerade zum rechten Zeitpunkt kommt also die in den vergangenen Konferenzen entwickelte Kampagne des euro­päischen Gewerkschaftsdachverbandes, die unter dem Hashtag #NoViolenceAtWork gestartet wurde. Ziel der Kam­pagne sei es, so CESI-Präsident Romain Wolff, „null Toleranz für Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst“ zu verdeutlichen sowie Öffentlichkeit und Arbeitgeber für die Dringlichkeit des Themas zu sensibilisieren. Das hierfür erstellte Kampagnenvideo wurde aus den Beiträgen der Konferenzen entwickelt, bei denen auch die dbb jugend nrw mitgewirkt hat.

In EU-Angelegenheiten wird die Vermittlung schwer

Schwer zu vermitteln allerdings ist der demokratische Grund­gedanke innerhalb europäischen Handelns, so das Ergebnis aus einer weiteren Workshopgruppe. EU-Bürokratie sei oft zu wenig transparent. Bürger tun sich darum schwer damit, Hintergründe bestimmter Ent­schei­dungen zu verstehen. Schwer verständliche oder um­ständliche Regeln erschweren die Akzeptanz euro­pä­ischer Entscheidungen. Um die Lage zu ent­schärfen, schlagen die jungen Beschäftigten vor, euro­pä­ische Entscheidungen klar und transparent zu kommunizieren – vor allem in Sozialen Netzwerken, über die man jüngere Menschen besonders gut erreichen kann.

Die Ergebnisse der fünf Workshops wurden später dem Plenum vorgestellt

Selbstkritisch beleuchtete eine weitere Gruppe, inwiefern die Bürokratie der Demokratie im Wege stehen könnte. Zu wenige Beteiligungsmöglichkeiten könnten – so die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe – dazu führen, dass Demokratie von Bürgern als defizitär empfunden wird. Ein weiteres Beispiel: Zu lange Wartezeiten bei Gerichtsverfahren. Die Men­schen bekommen dadurch das Gefühl, es geschehe nichts und Recht und Gesetz hätten einen zu geringen Stellen­wert.

Wie in einer guten Beziehung: immer miteinander reden

In einem weiteren Workshop gingen die jungen Mitglieder der Frage nach, wie sich aus Demokratiemüdigkeit wach­sen­der Extremismus einfangen ließe. Eines der Ergebnisse: „den Dialog suchen und im Dialog bleiben“. Demo­kra­tie­feind­liche Sichtweisen sollten nicht unkommentiert bleiben.

Dabei setzen die jungen Beschäftigten einen hohen Anspruch an sich selbst voraus, zeigen die Gedanken aus einer weiteren Workshopgruppe. Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes, so hält diese Arbeitsgruppe fest, hätten eine Vorbild­funktion. Ihr Auftrag dabei: die Interessen der Demokratie vertreten und zugleich für die Bürger da sein, sie unterstützen und die beste Lösung für den Einzelnen finden.

Demokratie lebt, so machten die Arbeitsgruppen deutlich, von der Bereitschaft, dass jeder – ganz gleich ob Vertreter des Staates oder Bürger – Verantwortung für das Wohlergehen aller übernimmt. Ein Prozess also. Oder wie der Sozial­philosoph Oskar Negt formuliert: „Demokratie ist die einzige Staatsform, die gelernt werden muss.“

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