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Eindrückliche Reise in die Vergangenheit

Seminare
18. Juli 2022

Als sie starteten, war allen klar, dass dies keine normale Bildungsfahrt werden würde. Dennoch entschieden sich zehn Mitglieder der dbb jugend nrw ganz bewusst für diese Fahrt. Ziel: Krakau. Was sie dort sahen, ging so tief unter die Haut, dass es wahrscheinlich für immer bleiben wird.

Die Reise startete wie viele andere – am Bahnhof in Düsseldorf. In Frankfurt ging es in den Flieger. Gute Stimmung, Vorfreude, Neugier – und das Bewusstsein im Gepäck, dass man in den nächsten vier Tagen viel über die deutsche Geschichte und die der Juden erfahren würde. Zielflughafen: Krakau.

Auschwitz, Ghettomauer und andere Orte schrecklichster Geschichte

Nur eineinhalb Stunden und die zehn jungen Mitglieder der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw), die neben deren Vorsitzenden Susanne Aumann mit an Bord des Fliegers sind, kommen auf festem Boden in Polen an. Emotional betrachtet wird dieser Boden in den nächsten vier Tagen ihrer Reise zu Gedenkstätten in Auschwitz und Birkenau, dem Jüdischen Viertel in Krakau mit einem Rest der Ghettomauer oder dem Konzentrationslager Plaszow einige Male ins Wanken geraten. Denn verbunden mit den historischen Ereignissen sollte es um Gefangenschaft, verabscheuende Gräueltaten des NS-Reiches, unvorstellbares Leid, Verlust und Tod gehen.

„Die Gedenkstättenfahrt hat uns auf den Spuren des jüdischen Lebens in Polen vor Augen geführt, dass ein Leben in Freiheit nicht selbstverständlich ist. Um es mit den Worten von Primo Levi – Überlebendem und Zeuge des Holocaust – zu sagen: ‚It happened, therefore it can happen again.‘ Wir müssen Gedenken und Erinnern“, sagt Susanne Aumann, die diese Fahrt als Leiterin begleitete. Sie sei dankbar dafür, dass die dbb jugend nrw sich dafür engagiere, sagt sie.

Mit 10 Personen führte die dbb jugend nrw Ende Juni eine Gedenkstättenfahrt nach Polen durch

Momente, die wach rütteln

Einer der schweren Momente geschichtlicher Auseinandersetzung fand im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau statt. Dieses Reiseziel reihte sich nach Planung ein in eine Kette mit Bedacht ausgesuchter Orte in und um Krakau.

Es war beklemmend, dort zu stehen, wo von 1940 bis 1945 über 1.100.000 Menschen aus allen Ländern Europas ermordet wurden.

Susanne AumannLandesjugendleiterin

„Es war beklemmend, dort zu stehen, wo von 1940 bis 1945 über 1.100.000 Menschen aus allen Ländern Europas ermordet wurden“, fasst Aumann die Eindrücke in Auschwitz zusammen. – Veranlasst durch die Regierung des Dritten Reichs unter Reichskanzler Adolf Hitler. Zwar sind heute viele Einzelheiten über die Ermordung unzähliger Juden in Konzentrationslagern bekannt, was jedoch meist nicht so präsent ist: Zunächst ging Hitler dem Ziel „Vernichtung der Untermenschen durch Arbeit“ nach. Erst ab 1942 rückte die möglichst effiziente Ermordung der Juden in den Vordergrund. Im Fokus: die Vernichtung der 1000-jährigen jüdisch-europäischen Kultur.

In Auschwitz sammelte die Gruppe bleibende Eindrücke und Einblicke in unmenschliche Torturen

Einblick in unmenschliche Torturen

Wie das in der Wirklichkeit aussah, erfuhren die jungen Mitglieder der dbb jugend nrw vor Ort: Wer nach der Deportation im Viehwagon der Reichsbahn als arbeitsfähig eingestuft wurde, musste – Koffer und Kleidung auf der „Judenrampe“ zurücklassend – im Laufschritt zum Scheren der Haare und Tätowieren der Häftlingsnummer. Früh am Morgen erfolgte die Zählung auf dem Appellplatz. Tagsüber verrichteten die Gefangenen zwölf Stunden schwerste Zwangsarbeit, u.a. in deutschen Firmen wie IG Farben, Krupp, Siemens. Die Zählung am Abend wurde oft zur Tortur für die kranken, geschwächten und abgemagerten Menschen: so dauerte der längste Appell 19 Stunden – bei minus 15 Grad. Viele Gefangene „gingen in den Draht“: sie warfen sich gegen den Stacheldraht, der unter Starkstrom stand.

Das drei Kilometer entfernte Vernichtungslager Birkenau (Auschwitz II) ist auch heute noch ein öder Ort der Trostlosigkeit. Jene, die Dr. Mengele & Co, als nicht arbeitsfähig einstufte, wurden hier mit Zyklon B vergiftet – „vergast“. Hier überlebte niemand.

Wichtiger Anker am Abend

Nach solch eindrücklichen Informationen und emotionalen Auf- und Tiefs war es am Abend eines jeden Exkursionstages nötig zu reden. Nicht umsonst hatte Bildungsreferentin der dbb jugend nrw, Angelika Kanters deshalb allabendliche Reflexionen über Inhalte, Eindrücke, Empfindungen und Gedanken mit eingeplant.

Diese war auch aus anderen Gründen nötig: Denn die Reisegruppe der dbb jugend nrw war nicht irgendeine Reisegruppe. Ihre Mitglieder allesamt: junge Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die in besonderer Verpflichtung ihrem Arbeitgeber gegenüberstehen: dem Staat. Was die jungen Leute darum beschäftigte war eine Frage, die ans Eingemachte ging: Wie würde ich mich selbst heute verhalten, wenn ich in eine vergleichbare Situation wie die Beamtenschaft im Dritten Reich käme? „Diese Frage ließ uns alle schweigend und nachdenklich zurück“, erinnert sich Aumann.

Buntes Treiben im jüdischen Viertel

Nach den eindrücklichen Erfahrungen in Auschwitz besuchte die Gruppe das ehemalige jüdische Viertel Kasimierz, heute ein quirliges Studenten- und Künstlerviertel. Zeit also, auch trubelige und bunte Erlebnisse zu sammeln, zu denen schöne alte Synagogen und Kirchen zählten. Im Ohr auch die Töne gefühlvoller Klezmer-Musik, die an vielen Ecken junge Straßenmusiker spielte.

Am letzten Tag der besonderen Bildungsreise folgten die jungen Mitglieder der dbb jugend nrw den Spuren von Oskar Schindler. Er war Unternehmer, aber ebenso seit 1938 Parteimitglied der NSdAP und Agent der Nazis. Letztlich aber setzte er sich im Geheimen für unzählige Juden ein und rettete ihr Leben, indem er 1200 jüdische Zwangsarbeiter vor der Deportation nach Auschwitz bewahrte.

Angelehnt an den Film „Schindlers Liste“, der diese Geschichte eindrücklich zeigt, besuchte die Gruppe der dbb jugend nrw historische Drehplätze in Krakau, so die Villa des brutalen KZ-Leiters Amon Göth, das nationalsozialistische KZ Plaszow, den Krak-Hügel, von dem aus Oskar Schindler die Zwangsräumung des Ghettos durch die SS sah und seine Firma, die Deutschen Emailwarenfabrik (D.E.F.). Sie befand sich im Krakauer Ghetto, wo alte, leerstehende, wie ausgebrannt wirkende Häuser stumme Zeugen des nationalsozialistischen Terrors sind.

„Graues Haus“ am Eingang des KZ Płaszów: Verwaltung – Folterkeller – Gefangenenzellen

Was bleibt…

„Die viertägige Exkursion ging allen unter die Haut. Uns wurde spürbar bewusst: Demokratie, Freiheit und Menschenwürde sind kostbare Güter. Es ist die Aufgabe jedes Einzelnen, sie zu behüten“, sagt Aumann im Nachgang der Reise. Krieg beginne immer im Denken und in der Sprache. Abwertung, Verurteilung und Diskriminierung seien erste Warnzeichen, für die jeder in seinem privaten wie auch beruflichen Umfeld ein Gespür entwickeln müsse. Die dbb jugend nrw trägt dazu durch ihre Bildungsarbeit bei.

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