
dbb jugend nrw organisiert Unterstützung für Kinder in der Pandemiekrise
Zu Hause online lernen, auf sich selbst gestellt, ohne Klassenkameraden an der Seite, in emotional und sozialen Ausnahmezeiten – die Pandemie hat vieles verändert. Das hat vielen Kindern zugesetzt. So sehr, dass sie auch noch den Anschluss in der Schule verloren haben. Die dbb jugend nrw setzt dem etwas entgegen.
Alleine von zu Hause aus lernen, den halben Tag vor dem Monitor sitzen – überhaupt immer nur sitzen – selbst Wissen erarbeiten, in Lerntabellen den Überblick behalten, selbstständig Rückmeldung geben, unzählige Arbeitsblätter down- und erledigte Arbeiten wieder uploaden: Es gibt Kinder, für die war das zu viel. Für viele Kinder aus benachteiligten Verhältnissen war das Homeschooling keine Hilfe. Sie wurden dadurch sogar noch weiter abgehängt. Ähnlich bei den ohnehin lernschwachen Kindern. Es hat eine Kettenreaktion in Gang gesetzt: Frust, Leistungsabsturz, Kopf in den Sand.
„Was können wir als Jugendverband tun?“
„Wir haben uns gefragt: Was können wir als Jugendverband dazu beitragen, um die Situation für diese Kinder zu verbessern und ihnen dazu zu verhelfen, wieder Anschluss zu finden?“, sagt Susanne Aumann, Vorsitzende der dbb jugend nrw. Daraus wurde die Idee von Sommerworkshops geboren, in denen Kinder und Jugendliche in ihrer Selbstwirksamkeit gestärkt werden und auf diese Weise wieder Mut finden, Pläne für die Schule zu schmieden und ihre Lerndefizite aus eigenem Antrieb auszugleichen.
Andreas Hoffmann heißt einer der Coaches, der dies für die dbb jugend nrw an mehreren Schulen in verschiedenen Städten umsetzt. Eine Sekundarschule und zwei Berufskollegs – eins davon mit einer Inklusionsgruppe – in Münster, Troisdorf und Nottuln haben die Möglichkeit bereits genutzt und Kindern und Jugendlichen zwischen 8 und 15 die Chance auf ein Coaching gegeben. In einer Grundschule wird Hoffmann als nächstes unterwegs sein.
Kinder rutschen schulisch ab, weil sie sich hilflos fühlen
Seine eigene Erkenntnis aus den Trainings: Wenn Kinder – wie jetzt in der Pandemie – in Mathe, Englisch oder anderen Fächern abrutschen, dann ist es oft nicht die mangelnde Selbstdisziplin. „Es ist Hilflosigkeit. Sie wissen wirklich nicht, was sie tun können, um da heraus zu kommen und wieder Erfolge zu sehen“, sagt der auch therapeutisch arbeitende Coach.
Um den Kindern und Teenagern das Gefühl zurückzugeben, Erfolg zu haben, versucht Hoffmann die eintägigen Workshops möglichst offen zu gestalten. Diese Coaching-Workshops finden zwar in der Schule statt, haben aber inhaltlich erst einmal gar nichts mit der belastenden schulischen Situation zu tun. Es geht auch nicht um das Pauken vom kleinen Einmaleins oder konkrete Rechtschreibeprobleme in Deutsch.
”Der erste Schritt zum Erfolg ist der, der den nächsten bedingt.
Andreas HoffmannCoach
Seine eigene Stärke wiederfinden
Stattdessen planen die Kinder je nach Vorliebe ihren eigenen Zoo, schreiben ein Buch oder bauen ein Haus – alles rein spielerisch. Eine Chance, fern ab vom Schulproblem mit viel Kreativität seine eigenen Stärken zu erkennen, sie zu nutzen und zu verstärken. Und später zu begreifen, dass man diese Fähigkeit auch zum Bewältigen anderer Probleme nutzen kann. Zum Beispiel, um in der Schule wieder den Lern-Anschluss zu finden.
„Über ein erlebnispädagogisches Angebot werden die Kinder und Jugendlichen aus dem Loch geholt, in dem sie gerade sind. Erst dann kommt kognitiver Input“, sagt Andreas Hoffmann. Am Ende soll das den Kindern dazu verhelfen, sich selbst zu reflektieren und den Schlüssel dazu zu finden, große Aufgaben zu bewältigen. „In vielen Kleinschritten“, sagt Hoffmann.
Jeder, der sich schon einmal überfordert gefühlt hat, kennt das Problem: Es scheint alles zu viel zu sein. Die Aufgabe zu groß und zu unüberschaubar – nicht zu schaffen, sagt der hektische Kopf. Genau das will Hoffmann in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen aufbrechen. „Der erste Schritt zum Erfolg ist der, der den nächsten bedingt“, sagt der Coach. Ihm geht es darum, in den Kindern wieder den Glauben an sich selbst zu wecken. Nur wenn sie den ersten Schritt tun und damit erfolgreich sind, wird auch der nächste folgen. Denn im besten Fall löst der Erfolg des ersten Schrittes den Ehrgeiz aus weiterzumachen – Schritt für Schritt.
In kleinen Schritten dem großen Ziel entgegen
Hoffmann nennt ein Beispiel: „Die Aufgabe, von einem Defizit in Mathe runterzukommen, ist riesig. Mache ich aber jeden Tag 20 Minuten Mathe, mache ich den ersten kleinen und messbaren Schritt.“ Alleine die Gewissheit, nicht unbeweglich und resigniert auf die vermasselte Ausgangslage zu schauen, sondern sich wieder auf den Weg zu begeben und aktiv zu sein, helfe dabei, den Glauben an sich selbst wach zu rütteln.
In den Workshops formulieren die Kinder also konkrete Ziele für die kommende Woche. Den ersten Schritt machen sie begleitet im Workshop. „Da sollen sie den Kick bekommen weiterzumachen“, sagt Hoffmann.
Im Gespräch mit den Lehrern verfolgt Hoffman auch nach den Workshops, wie nachhaltig seine intensive Arbeit ist. Die realistische Antwort: Nicht jedem Kind man so helfen. Aber vielen. „Oft arbeiten sich Menschen an vielen Knoten in ihrem Leben ab, obwohl sie nur einen lösen müssten“, ist seine Erfahrung. Findet man diesen Knoten, ist die Chance da, die Fäden wieder in die eigene Hand zu nehmen.
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