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Warum die Stadt Münster trotz weniger Übergriffen nicht aufatmet

Gewalt gegen Beschäftigte
19. Juli 2022

60 Fälle von Sachbeschädigung, verbalen Ausrastern, Körperverletzung und Bedrohung verzeichnet die Stadt Münster für das Jahr 2021. Zwar sind das weniger als in den Jahren zuvor, doch Entwarnung will man trotzdem keine geben. Was tut die Stadt gegen die Gewalt gegen Beschäftigte und was hat sich in der Pandemie verändert?

Wenn es kracht, dann meistens richtig: Körperliche Angriffe, Bedrohung, Anspucken – all das umfasst das Potpourri an „Bürgerdresche“, dem sich Beschäftigte der Stadt Münster im Jahr 2021 ausgesetzt sahen. „Die meisten dieser Fälle, also 37 von 60 Fällen insgesamt, zählen zu Stufe 4“, erklärt Marie Louise Franke vom städtischen Personalamt. Insgesamt ordnet die Stadt die Vorfälle in fünf Eskalationsstufen ein. Geiselnahme und Amoklauf wären die Spitze des Eisbergs (Gewaltstufe 5).

Jeder Übergriff wird dokumentiert

Alle diese Übergriffe werden bei der Stadt dokumentiert. 21 Strafanzeigen erstattete die Kommune. „Wir sprechen zudem konsequent Hausverbote aus, wenn das nötig ist“, sagt Mario Huslage, Leiter des Personal- und Organisationsamtes Münster. Dies gehört mit ins Gesamtkonzept einer Null-Toleranz-Haltung gegenüber jeder Form von Gewalt gegenüber den Beschäftigten.

Bereits seit dem Jahr 2015 sind darum alle Mitarbeiter dazu aufgerufen, jeden Gewaltvorfall am Arbeitsplatz zu melden. Parallel dazu werden alle Übergriffe dokumentiert. Darum lässt sich über die Entwicklung sehr genau Auskunft geben. – Eine Entwicklung, die auf den ersten Blick Positives verheißt, dennoch aber kein Anlass zur Entwarnung ist.

93 Angriffe – ein trauriger Höchststand

Das alte Rathaus in Münster (r. im Bild) ist heute Wahrzeichen der Stadt

Sie verzeichnet im Jahr 2019 einen Höchststand von 93 Angegriffen gegen Stadtbeschäftigte. Dann sank die Zahl der Übergriffe in den Jahren 2020 und 2021. Doch steht diese Entwicklung laut Einschätzung der Stadt in Zusammenhang mit den in der Pandemie veränderten Außenbedingungen. „Während der Lockdowns war die Stadtverwaltung zum Teil ganz geschlossen“, sagt Huslage. Damit fehlte der Publikumsverkehr und über Monate hinweg gab es kaum persönliche Kontakte und somit kaum Möglichkeiten zu Ausrastern im Amt.

Auffällig in dieser Zeit: Vor allem der Ordnungsdienst war von Übergriffen geplagt. „Mehrere Gewaltvorfälle beruhen auf einem Verstoß gegen die Corona-Schutzverordnung“, hält zudem der Bericht der Stadt fest. Von den insgesamt 60 Übergriffen im vergangenen Jahr entfällt die höchste Zahl auf die Mitarbeiter/innen des Ordnungsamtes, gefolgt von Sozialamt und Feuerwehr. „Auch im Bereich der Abfallwirtschaft haben wir mehr Auffälligkeiten verzeichnet, zudem gab es Großeinsätze der Polizei wegen Menschenansammlungen“, sagt Huslage. In Summe sind also nach wie vor die Bereiche betroffen, in denen auch in Zeiten der Pandemie persönliche Kontakte stattfinden konnten.

Was zum Schrumpfen der Übergriffszahlen beitrug

Ein weiterer Punkt: In den Monaten nach den strengen Lockdowns führte man in Münster – wie auch andernorts – neue Prozesse ein: Statt Spontanbesuch und Nummernziehen wurde der Besucherstrom über ein Terminsystem geregelt. Die Terminvergabe trage dazu bei, Stressoren wie lange Wartezeiten in engen Wartebereichen abzubauen, sagt der Leiter des Personalamtes. Auch die Einstellung von Sicherheitsdiensten, denen die Aufgabe zukam, die Coronaschutzverordnung zu überwachen, habe daneben wahrscheinlich präventive Wirkung gehabt.

Gefährderdatei in Planung

In Summe will man darum in Münster das bestehende Schutzkonzept, das neben Schulungen in Deeskalation auch Angebote zur psychologischen Hilfe und Gesprächsangebote vorsieht, weiterhin anpassen, wenn es erforderlich sei. Denkbar sei also, das bestehende Terminvergabesystem auch in Zukunft fortzuführen.

Mittelfristig soll daneben eine Gefährderdatei eingeführt werden, in die durch einen Übergriff auffällig geworden Personen erfasst werden können. „Dadurch können Mitarbeitende vor einem Kundentermin durch Namenseingabe abfragen, ob es sich um einen potenziellen Gefährder handelt“, so geht aus einem öffentlichen Bericht der Stadt Münster hervor. Solche Maßnahmen tragen laut Huslage zur Sicherheit der Beschäftigten bei, weil präventiv Vorsorge getroffen werden könne. Bei Personen, die als schwierig bekannt sind, könne man Termine beispielsweise mit zwei städtischen Mitarbeitern besetzen.

Auch in der Pandemie zählte die Münsteraner Feuerwehr neben Ordnungsdienst und Sozialamt die meisten Übergriffe

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