Dauerkrise heißt Dauerbelastung für Staatsbedienstete
Energiekrise, Inflation und steigende Lebenshaltungskosten führen für viele Menschen in eine wirtschaftliche Zerreißprobe. Der Staat ist gefragt und damit der Öffentliche Dienst. Die Beschäftigten dort werden in den nächsten Monaten einiges zu stemmen haben.
Erst Pandemie, dann Flüchtlingszustrom aus der Ukraine und nun die Energiekrise. Deutschland stöhnt. Viele Menschen wissen nicht mehr, wie sie finanziell zurechtkommen sollen. Sie benötigen staatliche Unterstützung. Schulen stehen durch Corona und Energiekrise im Winter frostige Zeiten bevor. Unternehmen blicken nach wirtschaftlich schweren Zeiten durch die Pandemie nun aufgrund nicht bezahlbarer Energiekosten der Pleite entgegen. Viele Menschen fürchten um ihren Arbeitsplatz.
„Die Sorge der Menschen in Deutschland ist deutlich spürbar – in vielen Bereichen wie Sozialämtern oder Jobcentern spüren das auch die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst“, sagt Susanne Aumann, Vorsitzende der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw). Schon jetzt ist klar: Auch ihnen werden die nächsten Monate besondere Belastungen bringen.
Täglich im Dienst für die Menschen
„Sozial schwache Menschen, die ihr Leben bislang ohne Unterstützung des Sozialstaates meistern konnten, werden auf Hilfe angewiesen sein, weil sie es in Anbetracht der Vielzahl an Krisen nicht mehr meistern können“, befürchtet die junge Vorsitzende. Betroffen sein werden auch Rentner, die durch steigende Kosten mit ihren Mitteln nicht mehr zurechtkommen. Hier seien die Sozialämter gefragt – der Zustrom wird ansteigen. Ähnlich wie in den Jobcentern, in denen vermehrt Jobsuchende zu erwarten sind.
Es sei gut, dass man hier auf den Sozialstaat zählen könne, betont Aumann. Für die dort Beschäftigten wird der zu erwartende Ansturm jedoch eine immense Arbeitslast mit sich bringen. Denn auch die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst hangeln sich – oft personell unterbesetzt – nun schon seit Jahren von einer mit Überstunden gespickten Krise zur nächsten.
”Überlastung heißt gesundheitliche Beeinträchtigung!
Susanne AumannVorsitzende der dbb jugend nrw
Mit Beginn der Corona-Pandemie waren es vor allem die Krankenhäuser, Gesundheits- und Ordnungsämter oder Schulen, die als erste die Mehrlast zu spüren bekamen. Inzwischen laufen jedoch weit mehr Bereiche als diese dauerhaft auf Hochtouren: Finanzbehörden und Gerichte, die unzählige Insolvenzen begleiten und auch Gefahrenabwehrbehörden, Polizei und Rettungsdienste, die bereits jetzt prognostizierte Blackouts und deren Bewältigung in den Blick nehmen müssen.
Schon jetzt müssen für solche Szenarien Maßnahmen vorbereitet werden. Schon jetzt sei darum auch die Belastung an den Arbeitsplätzen besonders hoch, weil die damit verbundene Arbeit zusätzlich zum laufenden Geschäft anfalle. Ein weiteres Problem, das Aumann benennt: „In allen Bereichen haben wir einen gravierenden Personalmangel, der ebenfalls aufgefangen werden muss.“ Allein in der NRW-Landesverwaltung sind derzeit mehr als 20.000 Stellen unbesetzt.
Belastung der Beschäftigten wird oft nicht gesehen
„Wie es den Beschäftigten dabei geht, wird oft aus den Augen verloren“, moniert Aumann. Viele leisten dauerhaft Überstunden, finden gar nicht mehr in den normalen Ruhemodus. „Wir wissen aus zahlreichen Untersuchungen während der Coronazeit, dass die Zahl von stressbedingten psychischen Krankheiten zugenommen hat“, mahnt die Vorsitzende. Ausgenommen seien auch die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung nicht von den negativen Auswirkungen der anhaltenden Ungewissheit. Man dürfe also die Beschäftigten in der seit Jahren bestehenden Überlastung nicht aus den Augen verlieren.
In diesem Zusammenhang erinnert Aumann daran, dass Mitarbeiterschutz Vorgesetztenpflicht sei. Es sei jetzt wichtiger denn je, durch Aufgabenpriorisierung für Entlastung zu sorgen. Im Alltagsgeschäft müsse danach geschaut werden, dass die Beschäftigten nicht mit einer Überlastung aus dem Tag gehen. „Denn Überlastung führt auf Dauer zu gesundheitlicher Beeinträchtigung“, sagt Aumann.
Entlastung ist nötig
Auch mit Blick auf die Personalgewinnung hält es der gewerkschaftliche Jugenddachverband für notwendig, für Entlastung zu sorgen. „Leute wirbt man durch positive Anreize an“, betont Aumann. Dazu zähle nicht die Aussicht darauf, seinen Arbeitstag regelmäßig um 7 Uhr zu beginnen und um 19 Uhr zu beenden.
Daneben könne die Option mobilen und flexiblen Arbeitens ebenfalls für Entlastung sorgen, ebenso wie die Arbeit im Öffentlichen Dienst endlich ernsthaft zu digitalisieren. „Während es zu Beginn der Pandemie plötzlich eine gewisse Aufbruchstimmung gab, ist das Thema inzwischen wieder in den Dornröschenschlaf gelegt worden“, sagt Aumann. Man sei seit einem Jahr in Sachen Digitalisierung in der Pause und das, wo das Thema mehr denn je brenne. Denn in Hinblick auf einen möglichen Blackout müsse das Thema sogar mehrdimensional gedacht werden. Es sei dringend nötig, diese Themen jetzt anzupacken, um noch größeren Problemen und Personalausfällen vorzubeugen.
Projektarbeit will Schlüsse aus Krisen ziehen
Zudem sei wichtig, aus den vergangenen Krisen zu lernen, um in ähnlich fordernden Situationen vorbereitet zu sein und handlungsfähig zu bleiben, sagt Aumann. „Aus diesem Grund freuen wir uns, dass sich Studierende aus dem Rhein-Erft-Kreis an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung am Standort Köln in einer Projektarbeit kritisch mit der Auswertung von Arbeitsabläufen und Arbeitsformen in Zeiten diverser Krisen auseinandersetzen werden“, sagt Aumann. Unter dem Titel „Lernen aus der Krise“ nehmen die Studierenden unter die Lupe, wie nach Flüchtlingskrise 2014/2015, Pandemie, Flut- und Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021 und dem Kriegsbeginn in der Ukraine mit seinen Auswirkungen hierzulande die bevorstehende Krise gemeistert werden wird.
„Nur wenn wir identifizieren, was uns geholfen hat und was nicht gut läuft oder uns in unserem Tun im Sinne des Gemeinwohls lähmt, kann der Öffentliche Dienst kommende schwierige Zeiten gut meistern“, sagt Aumann.