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Öffentlicher Dienst: Mehr Beschäftigte und trotzdem Notlage

Öffentlicher Dienst
19. März 2024

Die Zahl der Beschäftigten bei Bund, Ländern und Kommunen ist laut einer Studie in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen. Fast 600.000 Menschen mehr arbeiten im Öffentlichen Dienst. Dennoch herrscht Personalnot in den Behörden. Wie kann das sein?

Behörden schließen wegen Überlastung, verzweifelt suchen Verwaltungen nach Beschäftigten, um die Personallücken zu schließen. Denn es fehlen rund 550.000 Beschäftigte, nicht nur in Schulen, Alten- und Krankenpflege und Finanzämtern. Zur gleichen Zeit belegt eine neue Studie vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) einen Personalzuwachs von insgesamt 14 Prozent bei Bund, Ländern und Kommunen in den letzten zehn Jahren. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?

Trotz Zuwachs erdrückender Personalmangel

Seit 2012 sind rund 584.000 Menschen mehr im Öffentlichen Dienst beschäftigt, so die Zahlen des IW – nicht eingerechnet sind Beschäftigte in privatisierten Bereichen, bei der Bahn oder in Zweckverbänden. Diese eingerechnet, ergibt sich laut den Wirtschaftsforschern sogar ein Personalzuwachs von 943.000 Beschäftigten. Dennoch reicht es vorne und hinten nicht. Es herrscht riesige Personalnot.

Während im Verkehrswesen, in der Verteidigung und im Wohnungswesen Stellen abgebaut worden seien, habe es einen „bemerkenswerten“ Stellenzuwachs in anderen Bereichen gegeben. Allen voran nennt der Bericht Schulen, Kindertagesstätten, die Polizei und Teile der Kernverwaltung. Besonders in Aufgabenbereichen der politischen Führung und zentralen Verwaltung habe der „Wasserkopf“ zugenommen. Es dränge sich laut der IW-Studie der Verdacht auf, Stellen seien möglicherweise aus politischen Gründen geschaffen worden.

Projektstellen schlagen meist nur vorübergehend zu Buche

Was die Studie jedoch nicht erwähnt: „Die meisten solcher Stellen, die zur Umsetzung politischer Zielesetzungen und Projekte geschaffen werden, entlasten die allgemeine Verwaltung und sind zudem meist zeitlich befristet“, sagt Nicole Schorn, 1. Stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw). Damit handelt es sich dabei um Stellen, die nach Abschluss des jeweiligen Projektes ersatzlos wegfallen.

Wie kann es dennoch sein, dass ausgerechnet in Bereichen wie Schule und Kitas die Einstellungszahlen gestiegen sind, aber dennoch zu wenig Personal vorhanden ist?

Der vermeintliche Stellenzuwachs wird nicht mehr als ein Tropfen auf einen heißen Stein sein

Nicole Schorn1. Stellv. Vorsitzende dbb jugend nrw

Laut dem Bildungsbericht 2022 sind seit 2012 fast 6.000 neue Kitas mit rund 600.000 zusätzlichen Betreuungsplätzen geschaffen worden. Laut des vom Bundesfamilienministerium herausgegebenen Monitoring-Berichts 2023 hat sich die Zahl der Fachkräfte um 200.000 erhöht. Doch hat auch der Betreuungsumfang bis in den Nachmittag hinein wie auch die Zahl der Plätze, die die Kommunen vorhalten müssen, durch die Altersverschiebung auf unter 3-Jährige wie auch der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz erhöht. Auch sei zu bedenken, dass ein Großteil der geschaffenen Stellen zwar auf dem Papier existiere, deren Besetzung aber lange Zeit andauere. „Es ist also logisch, dass es immer noch vorne und hinten nicht reicht“, sagt Nicole Schorn.

Viele Teilzeitstellen verfälschen Zahlen

„Wer sich die Zahlen des IW ansieht, stellt zudem fest, dass Teilzeitbeschäftigungen in allen Bereichen zugenommen haben“, betont Schorn. Lediglich beim Bund ist die Anzahl minimal gesunken. „Werden mehrere Teilzeitkräfte anstelle eine Vollzeitkraft beschäftigt, steigen die Einstellungszahlen, obwohl die Zahl der Personalstellen gleicht bleibt“, sagt Schorn.

Was zudem die Personalnot objektiv betrachtet wachsen lässt: „Besonders bei den Kommunen steigt die Zahl der Aufgaben. Das betonen auch die Experten. Die Arbeit nimmt faktisch zu. Zudem sei alleine zwischen 2021 und 2022 die Bevölkerungszahl um 5 Prozent gestiegen. „Daneben steht man vor der Herausforderung, dass bis 2030 zudem etwa 1,3 Millionen Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes in den Ruhestand gehen“, sagt Schorn weiter. Das macht zusätzliches Personal nötig. Tatsächlich ist laut der Zahlen des IW auch genau dort der Personalzuwachs mit fast 54 Prozent am höchsten.

Zentrale Bereiche sogar von Stellenabbau betroffen

Laut der Verfasser des IW-Berichts könnten auch Reformen in der Sozial- und Steuerpolitik eine Rolle spielen. Dadurch sei der Verwaltungsaufwand gestiegen, die Beschäftigtenzahl hingegen sei in solchen Bereichen zurückgegangen. Einen deutlichen Rückgang gebe es beispielsweise im Wohnungsbau, Städtebau, bei der Raumordnung und bei kommunalen Gemeinschaftsdiensten. 11.000 Beschäftigte fehlen dort. Die Genehmigungsverfahren geraten gerade dort ins Stocken. Im Finanzbereich ging die Zahl der Beschäftigten laut der Zahlen des IW sogar um 65 Prozent zurück.

„Der vermeintliche Stellenzuwachs wird bei mehr Teilzeitstellen, einer wachsenden Bevölkerungszahl und der Generationsabwanderung in den Ruhestand nicht mehr als ein Tropfen auf einen heißen Stein sein“, sagt Schorn. Der Schlüssel zur Problemlösung sei ihrer Meinung nach der Abbau von Bürokratie und eine Aufgabenreduzierung. Denn so Schorn: „Nur dann können die anstehenden Aufgaben auch bewältigt werden.“ Parallel dazu sei es nötig, das Arbeiten im Öffentlichen Dienst generell attraktiver zu gestalten, um so junge Fachkräfte zu werben und auch dauerhaft dort zu halten. Dazu zähle unter anderem eine schnelle Digitalisierung und die Verbesserung von Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten.

Die Forderungen im Einzelnen finden sich im Positionspapier der dbb jugend nrw.

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