In der Pandemiezeit steigt vor allem die Zahl der Online-Angriffe
Lehrerinnen und Lehrer sind ebenso wie Schulleitungen in der Pandemiezeit häufiger als sonst Angriffen ausgesetzt. Das zeigt eine Forsa Umfrage, die der Verband Bildung und Erziehung in Auftrag gegeben hat. Das sind die Gründe dafür.
Kurzfristige Neuregelungen, übereilt umzusetzende Entscheidungen der Politik – die Corona-Pandemie hat viel Unruhe an die Schulen gebracht. Das Regelungschaos und eine anhaltend intransparente Kommunikation der Politik haben zu Verunsicherung geführt. Zu spüren bekommen das in den Schulen neben Lehrerinnen und Lehrern auch die Schulleitungen. Der Ton ist rauer geworden.
Corona-Verordnung sorgt für Übergriffe auf Lehrkräfte
An jeder vierten Schule kommt es in Zusammenhang mit der Um- oder Durchsetzung der Corona-Schutzverordnung psychische Gewalt, das ergab eine vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage. Basis dieses Ergebnisses ist eine repräsentative Umfrage unter rund 1.500 Lehrkräften in ganz Deutschland. Ein Viertel der Befragten berichtete dabei von direkten psychischen Angriffen. In 84 Prozent der Fälle gingen diese von den Eltern aus. Das zeige: Der Frust der Gesellschaft über die bestehenden Corona-Regeln entlade sich direkt an der Schule, moniert der Vorsitzende des VBE, Udo Beckmann.
Hate-Speech-Angriffe nehmen zu
Beleidigungen werden nicht mehr nur direkt und persönlich geäußert, sondern immer häufiger auch über das Internet. Das beobachtet auch Susanne Aumann, Vorsitzende der dbb jugend nrw: „Wir sehen in vielen Bereichen, wie die Hemmschwelle besonders online sinkt.“ Lehrer genauso wie Polizisten, Ordnungsamtsmitarbeiter und Menschen vieler anderer Berufsstände im Öffentlichen Dienst würden skrupellos persönlich angegangen und fertig gemacht. „Ich bin immer wieder darüber entsetzt, was da für Hass-Äußerungen zu lesen sind“, sagt Aumann, die die Zunahme von Hate-Speech und virtuellen Angriffen bereits in der Zeit vor der Pandemie beobachtete.
Daniel Weber, stellvertretender Vorsitzender der dbb jugend nrw, ist selber Lehrer an einer Grundschule. Auch in den Grundschulen sei es an mancher Stelle seit Beginn der Pandemie ruppiger geworden. Wenngleich er daneben auch teilwesei einen verständnisvolleren und partnerschaftlichen Umgang miteinander beobachtet.
”Das Internet ist kein rechtsfreier Raum – und Hass ist keine Meinung.
Susanne AumannVorsitzende der dbb jugend nrw
Die Dunkelziffer unter Lehrkräften ist hoch
„Dennoch gibt es Einzelfälle, in denen Lehrer extrem angegangen werden“, sagt Weber. Insgesamt sei jedoch seiner Einschätzung nach die Dunkelziffer derer hoch, die solche Übergriffe gar nicht erst zur Sprache bringen. Es gebe immer noch Hemmungen, solche Übergriffe anzuzeigen, hält er fest. Einer der Gründe dafür: Schulleitungen möchten Polizeibesuch an der Schule vermeiden, um das Bild nach außen zu wahren.
Aus diesem Grund setzt sich die Fachgewerkschaft ebenso wie auch die dbb jugend nrw dafür ein, Beschäftigte darin zu unterstützen, sich gegen Übergriffe zur Wehr zu setzen. Die Situation dürfe so nicht hingenommen werden. „Insbesondere die Kultusministerien sind in der Verantwortung, die Beschäftigten an Schulen zu schützen – sei es durch besseres Informationsmaterial, Ansprechpersonen in den Kultusministerien oder schlicht transparentere Regelungen, die einleuchten und zu weniger Unmut führen“, sagt Beckmann.
Lehrer dürften ebenso wenig wie auch andere Beschäftigte im Öffentlichen Dienst zur Zielscheibe von Andersdenkern werden, sagt Aumann. Es seien deutliche Signale nötig, um klar zu machen, dass jeder Übergriff auf Lehrer, Kommunalbedienstete, Polizisten oder andere Beschäftigte nicht nur Angriffe gegen die einzelnen Personen seien, sondern auch Angriffe gegen den Staat.
Viele Übergriffe gelten nicht der Person, sondern dem Staat
Ein grundsätzliches Problem: „Wir beobachten häufig, dass Übergriffe meist gar nicht einzelnen Personen gelten. Es trifft sie, weil sie Vertreter des Staates sind“, sagt Aumann. Die Unzufriedenheit über dauernde kurzfristige Änderungen an den Schulen, Wechsel zwischen Distanz- und Präsenzunterricht, wechselnde Stundenpläne und andere tägliche Ärgernisse würden dann an den Staatsbediensteten ausgelassen, wie man deutlich am Beispiel Schule sehen könne.
Der VBE fordert darum mit Blick auf die Lehrer schnelle und unbürokratische Meldemöglichkeiten, juristische wie auch psychologische Unterstützung nach Angriffen und konkrete Ansprechpartner im Kultusministerium in Zusammenhang mit Übergriffen. Zudem macht sich die dbb jugend nrw übergreifend für alle Bereiche des Öffentlichen Dienstes dafür stark, einheitliche Schutzkonzepte nach Vorbild des Aachener Modells zu erstellen und die Zahl der Übergriffe auf Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes zentral in der Polizeilichen Kriminalstatistik zu erfassen. Mit Blick auf das neue Problem der Hass-Übergriffe im Internet fordert Aumann zudem, bestehende Schutzkonzepte auf die digitale Welt auszudehnen: „Denn das Internet ist kein rechtsfreier Raum – und Hass ist keine Meinung.“