Warum ein 23-Jähriger im Polizeipräsidium Seltenheitswert haben kann
Verwaltungsrecht zu pauken, Staatsbürgerkunde drauf zu haben – das gehört zur Ausbildung im Öffentlichen Dienst dazu. Deutscher kann ein Job kaum sein, mag man denken. Was also bringt einen jungen Menschen mit Migrationshintergrund dazu, sich dort um einen Ausbildungsplatz bewerben? Resul Gökce erzählt, warum er es getan hat und wie es sich heute für ihn anfühlt.
Am Telefon ist alles wie immer: Am anderen Ende spricht ein junger Mann lupenreines Deutsch. Wir unterhalten uns über seinen Job und das, was er dort macht. Resul Gökce ist 23 Jahre alt und Fachinformatiker für Systemintegration. Seit Sommer 2020 arbeitet er im Polizeipräsidium und ist dort für mobile Geräte und Videokonferenzsysteme zuständig.
Zwei Herzen in einer Brust
Das alles täte Resul vermutlich gar nicht, hätte sich sein Großvater nicht irgendwann entschlossen, aus der Türkei nach Deutschland umzusiedeln. Mit sieben Jahren kam auch sein Vater nach Deutschland. Später dann zudem seine Mutter. Resul wurde hier geboren, er ging hier zur Schule, ist hier aufgewachsen. Natürlich hat er darum die deutsche Staatsbürgerschaft – und dennoch schlagen zwei Herzen in seiner Brust: das deutsche und das türkische.
”Ich dachte: Och, bewirb dich mal und sieh, was dabei rumkommt.
Resul Gökce
Er spricht beide Sprachen und wenn er seine Cousinen trifft, kann er sie ganz leicht zum Staunen bringen, indem er über den Öffentlichen Dienst und über seinen Job spricht. Ein gewisses Erstaunen löst er aus, wenn er erzählt, dass es eine Behörde gibt, die sich ausschließlich um die Bezahlung der Beschäftigten in öffentlichen Verwaltungen kümmert. Und auch, wenn er darauf aufmerksam macht, dass bei der Polizei nicht nur Polizisten beschäftigt sind – als IT-ler ist er einer von ihnen.
Wie eine Zigarettenpause zu Verwunderung führt
Mit offenkundigen Vorbehalten sei ihm noch nie jemand begegnet, zieht der 23-Jährige Resümee. Wohl aber erinnert sich an einen kurzen Moment zu Beschäftigungsbeginn in der Bezirksregierung: „Ich habe eine kurze Pause auf den Innenhof gemacht. Der Hof liegt so, dass keine Besucher dorthin kommen, sondern lediglich die Beschäftigten“, erzählt Resul. Das führt zu Überraschung unter einigen neuen Kolleginnen und Kollegen, die ihn dort sehen. In ihren Gesichtern habe man eine gewisse Verwirrung ablesen können, berichtet der 23-Jährige. Sie konnten sich offenbar im ersten Moment nicht erklären, warum ein junger, türkisch aussehender Mann in diesem Innenhof steht und raucht. Denn die Mehrheit der in der Behörde Beschäftigten haben keinen Migrationshintergrund. Diesen erwarte man eher von Besuchern.
Das zeigt: Trotz der Bestrebungen, mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund im Öffentlichen Dienst zu beschäftigen, liegt das Erreichen dieses Ziels noch weit entfernt. „Ich habe bei der Bezirksregierung meine Ausbildung gemacht“, sagt der 23-Jährige. Mit seinem Migrationshintergrund hatte er dort Seltenheitswert: „Ein Ausbildungsjahr über mir war noch ein weiterer Kollege mit Migrationshintergrund“, sagt er. Das war es. „Es ist schon eher eine Seltenheit“, gibt Resul zu.
Öffentlicher Dienst könnte besser für sich werben
Einen möglichen Grund, den Resul dafür sieht: „Man müsste mehr Werbung dafür machen – beispielsweise in den Schulen.“ Dort nämlich wurde der 23-Jährige selbst eigentlich nur zufällig auf die Möglichkeit aufmerksam. „Ich wollte Abi machen und dann Informatik studieren“, sagt er. Dann kam aber eines Tags der Klassenlehrer mit Informationen über Unternehmen in den Unterricht, die Auszubildende suchen. „Ich dachte: Och, bewirb dich mal und sieh, was dabei rumkommt“, erinnert sich der Junge IT-ler.
Er wurde eingeladen und absolvierte sowohl das schriftliche Einstellungsverfahren wie auch das Vorstellungsgespräch in rund 15 Minuten. „Das war so kurz, dass ich eher nicht damit gerechnet hatte, eine positive Rückmeldung zu bekommen“, sagt Resul. Darum staunte er nicht schlecht als noch am gleichen Tag des Vorstellungsgesprächs die Zusage kam. Er hatte die Ausbildung im Öffentlichen Dienst.
In einer unsicheren Zeit wie jetzt in der Pandemie, zu der viele Unternehmen sich wirtschaftlich nicht mehr halten können und insolvent gehen, gibt es dem jungen Fachinformatiker ein gutes Gefühl, in einer öffentlichen Verwaltung zu arbeiten. Wohl aber ist ihm auch klar, dass er dafür deutliche finanzielle Einbußen in Kauf nimmt.