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Im Ehrenamt erworbene Kompetenzen im Job endlich anerkennen

Gesellschaftspolitik
27. September 2024

Landtagsanhörung „Wertschätzung für freiwilliges Engagement“

Kernkompetenzen wie Rhetorik, Moderationskompetenz oder Führungsfähigkeiten – im Job werden sie manchmal nicht anerkannt, weil sie durch die Arbeit im Ehrenamt erworben wurden. „Das ist inakzeptabel“, machte Nicole Schorn bei einer Anhörung im Landtag deutlich und drängte auf Veränderung.

Es gibt Kompetenzen, die erlernen junge Menschen in Seminaren und Workshops, bekommen sie zertifiziert, wenden sie gleich in der Praxis an, aber im Job zählen sie nichts. Sie helfen einem bei keiner Bewerbung und bringen einen bei keinem Aufstieg weiter. Der Grund: Diese Qualifikationen wurden im Ehrenamt erworben. Das kann nicht sein, findet die Deutsche Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw). Jetzt stand Nicole Schorn, 1. Stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend nrw, als Sachverständige zum Thema „Wertschätzung für freiwilliges Engagement“ im Landtag Rede und Antwort.

Mit Ehrenamtlern haben Arbeitgeber ‚High Performer‘ einstellt, die sich über die normale Arbeitszeit hinaus engagieren und zusätzliche Erfahrung mitbringen. Das muss anerkannt werden.

Nicole Schorn1. Stellv. Vorsitzende dbb jugend nrw

Alle Fraktionen waren vertreten als Nicole Schorn im Haushalts- und Finanzausschuss ans Mikrofon trat, um in einem dreiminütigen Statement die Position der dbb jugend nrw zum Thema einleitend vorzutragen. Auf Antrag der FDP-Fraktion war das Thema „Wertschätzung fürs Ehrenamt“ erneut auf die Tagesordnung gekommen, nachdem der gewerkschaftliche Dachverband, der fast ausschließlich durch die Arbeit Ehrenamtlicher getragen wird, im vergangenen Jahr auf der Landtagswiese in Düsseldorf ein Positionspapier hierzu an die Landespolitik übergab. In einer ersten Initiative brachte die CDU gemeinsam mit den Grünen einen Entwurf für mehr steuerliche Vergünstigungen beim Ehrenamt durch den Landtag. Er wird nun durch NRW in den Bundesrat getragen.

Ohne Ehrenamt läufts im Staat nicht

„Es ist etwas erreicht, aber das geht noch nicht weit genug“, sagt Schorn. Das Ehrenamt sei eine wesentliche Stütze für ein funktionierendes gesellschaftliches Miteinander. Ohne Ehrenamt sei kein Staat zu machen, betont die Ehrenamtlerin aus dem Vorstand der dbb jugend nrw selbst im Landtag. „Seien es der Katastrophenschutz, die freiwillige Feuerwehr oder die Gewerkschaften – ohne Ehrenämter würde der Staat nicht so funktionieren, wie wir aktuell aufgestellt sind“, betont Schorn.

Doch es ist schwer geworden für das Ehrenamt. Kaum mehr lassen sich junge Menschen begeistern, denn die Nachteile scheinen für viele zu überwiegen: Private Freizeit opfern und mit Arbeitgebern über Sonderurlaub zur Wahrnehmung des Ehrenamtes zu verhandeln. Besonders im öffentlichen Dienst ist es in vielen Bereichen aufgrund des vorherrschenden Personalmangels schwierig geworden, für freiwilliges Engagement zeitweise vom Job freigestellt zu werden.

Überstundenausgleich statt Sonderurlaub ist auch keine Lösung

„So kommt es dann auch, dass ich trotz einer 41 Stunden-Woche und den theoretischen Möglichkeiten, Sonderurlaub für ehrenamtliche Arbeit zu bekommen, am Ende doch in meiner Freizeit zu dieser Anhörung in den Landtag gehe“, erläutert Schorn. Sie habe Überstundenausgleich dafür genommen, um vor Ort nun für das Anliegen persönlich eintreten zu können und die mit dem Ehrenamt verbundenen Hürden zu schildern. Auch eine Einladung des Landtagspräsidenten helfe in Sachen Sonderurlaub nicht zwangsläufig weiter. „Nach meinem Besuch im Landtag kehre ich zurück an den Schreibtisch, um die im Job liegen gebliebene Arbeit zu tun“, schildert Schorn die Situation.

Denn, so spricht die 1. Stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend nrw aus: Sonderurlaub sei eine Kann-Vorschrift und werde von den Arbeitgebern und Dienstherrn unterschiedlich gewährt. Vor allem in Zeiten von Personalengpässen und Arbeitsüberlastung überlegen Dienstherrn oft zweimal, was sie möglich machen können. Das bestätigt auch Florian Klink, der als Landesvorsitzender für die komba jugend nrw in der Landtagsanhörung sprach.

„Für uns ist weiterhin kaum nachvollziehbar, warum Sonderurlaub generell abgelehnt wird“, bringt Schorn im Landtag zum Ausdruck. Stelle man einen Antrag auf Erholungsurlaub für den gleichen Tag, werde dieser genehmigt. „Uns liegen keine Gründe dafür vor, warum unser Sonderurlaub abgelehnt wird, man aber Erholungsurlaub nehmen oder Überstunden abbauen kann“, sagt Schorn. Besonders schwierig sei es, Sonderurlaub für gewerkschaftliche Zwecke zu erhalten. Als ehrenamtliche Schöffin sei dies hingegen für sie leichter gewesen.

Soft-Skills profitabel, aber nicht anerkannt

Ein weiteres Manko: Im Ehrenamt erworbene Fähigkeiten werden im beruflichen Kontext nicht anerkannt. „Dies kann für jeden Arbeitgeber doch nur profitabel sein, weil man mit Ehrenamtlern ‚High Performer‘ einstellt, die sich über die normale Arbeitszeit hinaus engagieren. Wir haben durch die Organisation und durch den Aufbau von Gewerkschaften erweiterte Soft Skills erhalten“, betont Schorn.

„Mit Blick auf das Lehramt kann ich aus meiner Perspektive sagen, dass es mir immer in meinen Kompetenzen geholfen hat, ein Ehrenamt auszuüben, egal ob es früher im Sportverein war oder jetzt in der Gewerkschaft“, sagt Jannik Unger vom Jungen VBE, der Schorn zur Anhörung begleitete. Die Zusammenarbeit mit anderen Menschen in einem Team, das Planen von Veranstaltungen, das Übernehmen von Verantwortung und vieles mehr hätten ihn bereichert und auch für ein beruflich anderes Standing gesorgt, so Unger.

Erlernt, zertifiziert und dann im Job bedeutungslos

Schorn bestätigt das auch vor den Abgeordneten: Ganz gleich, ob Rhetorik, Fähigkeiten in Moderation oder Führungserfahrungen – der Arbeitgeber bezahle nicht für den Erwerb solcher Kompetenzen, die im Ehrenamt erworben werden. Er profitiere zwar davon, aber sie würden im Falle von beruflicher Weiterentwicklung und Bewerbung nicht berücksichtigt. „Und dies, obwohl sie zertifiziert wurden“, erläutert Schorn auf die Nachfragen aus den Fraktionen.

Es sei dringend an der Zeit, das zu verändern. „Es macht nicht nur ehrenamtliche Arbeit attraktiver und sorgt für angemessene Wertschätzung, sondern wird auch dann dem gerecht, was rund 1,3 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen leisten“, betont Schorn.

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