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Auftakt Tarifrunde: Was jetzt passiert, betrifft auch die Bürger

Öffentlicher Dienst
23. Januar 2023

Wenn nun die Einkommensrunde für die über 2,5 Millionen öffentlich Beschäftigten bei Bund und Kommunen beginnt, geht es um weit mehr als um mehr Geld. Warum der Ausgang dieser Tarifrunde besonders wichtig ist, jeden einzelnen Bürger betrifft und warum die Forderungen für junge Beschäftigte ein Hauptanliegen sein müssen, erklärt Landeschefin der dbb jugend nrw Susanne Aumann.

„Zu hoch, zu viel, überzogen.“ – Die Einkommensrunde von der die Gehälter von über 2,5 Millionen öffentlich Beschäftigten bei Bund und Kommunen betroffen sein werden, haben noch nicht ganz begonnen, da wird schon von Arbeitgeberseite abgewehrt. Bei der dbb jugend nrw zeigt man sich indessen streitbar. Denn es geht um weit mehr als bloße Bezüge und mehr Geld: die Stabilität und Zukunft des Landes.

Susanne Aumann, Vorsitzende der Deutschen Beamtenbund Jugend NRW (dbb jugend nrw) erläutert, warum diese Einkommensrunde so wichtig ist.

Was sind aus deiner Sicht die dringendsten Forderungen dieser Einkommensrunde?

Susanne Aumann: Nachwuchskräfte sind die Zukunft des Öffentlichen Dienstes. Darum sind für uns mit Blick auf diese Zielgruppe zwei Forderungen essenziell:

1

Erhöhung

Die Erhöhung der Entgelte für Auszubildende, Studierende und Praktikanten um 200 Euro.
2

Übernahme

Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis statt Zeitverträge für junge Menschen, die im Öffentlichen Dienst erfolgreich die Ausbildung abgeschlossen haben.
Nachwuchs ist schon immer und zu jeder Zeit wichtig. Warum ist dein Blick in dieser Einkommensrunde darauf mit dem Verweis „Alarmstufe rot“ gerichtet?

Susanne Aumann: 27 Prozent der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst werden in den nächsten Jahren altersbedingt ausscheiden. 360.000 Stellen sind schon jetzt unbesetzt. Laut einer Studie der Managementberatung Price Waterhouse Cooper (pwc) könnten bis zum Jahr 2030 im öffentlichen Sektor eine Million Fachkräfte fehlen. Schon jetzt sind aufgrund des Fachkräftemangels und anhaltender Krisen viele Bereiche überlastet. Die Bürger spüren das an verlängerten Bearbeitungszeiten. Zu Teilen ist die Daseinsvorsorge sogar gefährdet. Das sind Fakten.

Der Öffentliche Dienst muss angemessen bezahlen, sonst werden wir den Fachkräftemangel nicht bewältigen.

Susanne AumannVorsitzende dbb jugend nrw

Die Arbeitgeber dürfen nicht länger wegschauen. In unsicheren Zeiten mit hoher Inflation ist die finanzielle Komponente für junge Leute ein wichtiger Faktor, wenn sie sich für eine Ausbildung oder einen Job entscheiden. Darum muss sie attraktiv sein. Hinzu kommt, dass Ausbildung oft in Ballungsräumen stattfindet, in denen auch die Kosten für die Lebenshaltung höher sind. Finanzielle Sicherheit ist darum ein ganz großes Thema für junge Menschen.

Die unbefristete Übernahme ist eine der Forderungen, die du nennst. Ist das wirklich ein Problem im Öffentlichen Dienst? Der gilt doch gemeinhin als sicherer Arbeitgeber. Ist Übernahme da wirklich ein Thema?

Susanne Aumann: Eindeutig ja. In vielen Bereichen – vor allem bei den Kommunen – bekommen junge Leute nach Abschluss der Ausbildung eben immer noch keine unbefristete Übernahme. Stattdessen wird ihnen ein befristeter Vertrag für ein Jahr angeboten. Es gibt sogar immer noch Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst, die ihre teuer ausgebildeten Nachwuchskräfte nach Abschluss gar nicht übernehmen. Das passt nicht zusammen: Wir haben einen verheerenden Fachkräftemangel, wir brauchen Nachwuchs, aber dann werden fertig ausgebildete junge Menschen nicht nahtlos übernommen. Eine der Begründungen: Man müsse sie erst erproben. Doch was soll man nach drei Jahren höchst qualifizierter Ausbildung und Arbeit noch erproben?

Insgesamt steht die Forderung nach einer Erhöhung der Tabellenentgelte um 10,5 Prozent im Raum. Warum ist diese Vorstellung entgegen der Sicht der Arbeitgeber nicht überzogen?

Susanne Aumann: Die Arbeitgeber stellen diese Forderung in Frage und verweisen auf das „sichere Leben“ im Öffentlichen Dienst und darauf, dass es zahlreichen Menschen schlechter gehe als den öffentlich Bediensteten. Auf einer solchen Basis wollen wir nicht diskutieren. Es ist schlimm, wenn es Menschen schlecht geht. Aber es ist keine Begründung dafür, die Menschen, die für den Staat sicherstellen, dass alle Bürger dieses Landes sozial aufgefangen werden, für ihre Arbeit nicht angemessen zu bezahlen.

Der Öffentliche Dienst muss sicher bezahlen, sonst werden wir den Fachkräftemangel nicht bewältigen. Wir brauchen Ärzte, Ingenieure und ITler. Wir brauchen Verwaltungsprofis. Wir sind in vielen Fachbereichen bereits jetzt schlecht aufgestellt und suchen händeringend nach Bewerbern. Wir müssen sehen, dass wir auch in solchen Bereichen, die viele von außen gar nicht als dem Öffentlichen Dienst zugehörig wahrnehmen, nicht abgehängt werden. Darum müssen wir die Forderung von 10,5 Prozent durchbringen.

Wenn ohnehin Fachkräfte fehlen, ist denn dann die Forderung nach einer Reduzierung der 41-Stunden-Woche – in dieser Runde bei den Bundesbeamten – der richtige Weg?

Susanne Aumann: In der Einkommensrunde steht der monetäre Aspekt im Fokus. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass sich die Gesellschaft in ihren Werten und Vorstellungen weiterentwickelt. In vielen Studien sehen wir, dass sich vor allem in der jüngeren Generation der Wert von Freizeit weiterentwickelt hat. Niemand wünscht sich, nach einer 60-Stunden-Woche abgebuckelt nach Hause zu kommen und keine Kraft mehr für Freizeit und Hobby zu haben. Durch die Unterbesetzung vieler Bereiche stemmen inzwischen viele Beschäftigte zwei Stellen, müssen Arbeit für zwei und damit enorme Überstunden leisten. Damit werden wir vor die Wand gefahren.

Da sind wir ganz schnell bei dem Thema 41-Stunden-Woche. In einer Zeit, in der viele Unternehmen den Schritt zu einer 4-Tage-Woche beschreiten, sind wir nicht mehr zeitgemäß mit solchen Arbeitsmodellen. Sie lassen die Vorstellung junger Menschen von einer ausgewogenen Work-Life-Balance vollkommen außer Acht. Statistiken und Studien zeigen, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit keinesfalls zu einer Abnahme der Produktivität führen. Im Gegenteil. Die Weltgesundheitsorganisation WHO weist in einer Übersichtsarbeit darauf hin, dass zu lange Arbeitszeiten die gesundheitlichen Risiken der Beschäftigten erhöhen. Wir können uns in unserer Lage nicht zusätzlich provozierte Gesundheitsausfälle leisten.

Die Forderung „Freizeit statt Geld“ ist überfällig. Eine falsch gelaufene Personalpolitik auf dem Rücken der Beschäftigten abzubilden, geht nicht. Der Öffentliche Dienst muss wieder vor die Lage kommen.

Was sollte sich für die jungen Beschäftigten verändern?

Susanne Aumann: Der Öffentliche Dienst muss digitaler und flexibler werden und besser bezahlen. Wenn wir weiter unsere Stellensuche in Zeitungsinserate packen, werden wir bei den jungen Leuten nicht ankommen. Wir brauchen zudem flexible Arbeitszeitmodelle und in unsicherer Lage finanzielle Sicherheit.

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