Justizminister Biesenbach: „Die Justiz hat als Arbeitgeberin einiges zu bieten“
Justizminister Biesenbach ist Keynote-Speaker auf unserer diesjährigen Sicherheitskonferenz. Wir haben im Vorfeld mit ihm gesprochen: über den Anstieg von Respektlosigkeit und über den digitalen Wandel – in der Arbeit der Justiz und in der Ausbildung von Rechtspflegeanwärtern, Justizfachwirten und Justizfachangestellten. Hier lest ihr, was er dazu zu sagen hat:
Viele junge Menschen entscheiden sich gegen eine Tätigkeit im Öffentlichen Dienst und können sich auch nicht für politisches Engagement begeistern. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen dieser Tatsache und dem Anstieg von Respektlosigkeit und Übergriffen?
Minister Biesenbach: In der Tat wird immer häufiger fehlende Achtung für Beschäftigte im öffentlichen Dienst beklagt. Dass sich junge Menschen deshalb aber davon abhalten ließen in den öffentlichen Dienst zu gehen, beobachte ich nicht. Ich habe da ehrlich gesagt einen anderen Eindruck, wenn ich mit jungen Menschen spreche. Ich erlebe sie in persönlichen Gesprächen als motiviert, kritisch sowie politisch und gesellschaftlich interessiert.
Auch der Jugendforscher Professor Hurrelmann hat in einem Interview mit der dbb jugend nrw zur Generation Z bereits gesagt: ‚Diese jungen Leute haben eine größere Orientierung auf das Gemeinwesen.‘ An anderer Stelle führte Herr Professor Hurrelmann aus, es handele sich um eine Generation mit einem verhältnismäßig hohen politischen Interesse, der auch Sicherheit und Stabilität wichtig sei. Geld spiele in Bezug auf die Arbeit nicht immer die erste Rolle, sondern eher eine sinnstiftende und befriedigende Arbeit. Viele junge Leute würden erwarten, dass sich die Politik dafür einsetzt; vor allem mit Blick auf Arbeitsplätze, aber auch die innere Sicherheit und natürlich Klima- und Umweltschutz.
Dass die junge Generation sich für Politik interessiert, ist auch der Meta-Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 2020 zu entnehmen. Demnach zeigen 45% der 12- bis 25-Jährigen politisches Interesse; 39% engagieren sich persönlich. Sie möchten gehört werden und Veränderungen bewirken und das sofort. Ich sehe diese gesamte Entwicklung mit Zuversicht. Diese Generation ist – was den Beruf angeht – zwar auch durchaus anspruchsvoll. Aber wir haben ja in der Justiz auch etwas zu bieten, was zu den Wünschen nach sinnvoller Arbeit, aber auch nach Stabilität und Sicherheit passt. Ich bin also auch optimistisch, was die Zukunft der Justiz als Arbeitgeberin angeht.
Im Rahmen der zunehmenden technischen Entwicklungen ist es inzwischen möglich, einen Online-Termin beim Amtsgericht zu buchen oder aber auch digital eine Anzeige zu erstatten. Wie wirkt sich die Digitalisierung sonst noch auf die Arbeit der Justiz aus?
Minister Biesenbach: Der digitale Wandel geht mit großen Schritten voran und hat dabei bereits heute die Arbeit der Justiz grundlegend geändert. Seit dem 1. Januar dieses Jahres können Rechtsanwälte, Behörden und andere sogenannte „professionelle Einreicher“ nach den meisten Prozessordnungen ihre Klageschriften, bestimmende Schriftsätze usw. rechtswirksam nur noch elektronisch bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften zu den Akten reichen. Um diese elektronischen Eingänge optimal medienbruchfrei zu bearbeiten und weitere Vorteile zu genießen, arbeiten inzwischen zwei Drittel aller Gerichte und Staatsanwaltschaften in einzelnen Fachbereichen oder bereits vollständig mit der elektronischen Akte. Das gibt vielen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit zur Arbeit im Home Office, die sie vorher nicht hatten. Hierfür werden moderne mobile Geräte bereitgestellt. Auch die Möglichkeit, Gerichtsverhandlungen und Anhörungstermine als Videoverhandlungen durchzuführen, wurde in den letzten Jahren stark ausgebaut.
”Ich erlebe junge Menschen in persönlichen Gesprächen als motiviert, kritisch sowie politisch und gesellschaftlich interessiert.
Justizminister BiesenbachDPolG Berlin
Die neuen Rechtspflegeranwärter wurden mit Tablets ausgestattet. Wann erfolgt der Übergang auch für die Justizfachwirte und Justizfachangestellten? Wird die Ausstattung bei den Rechtspflegeranwärtern fortgesetzt?
Minister Biesenbach: Die Ausstattung der Rechtspflegeranwärterinnen und – anwärter mit iPads wird derzeit im Einstellungsjahrgang 2021 pilotiert. Die Anwärterinnen und Anwärter können so auch während den Lehrveranstaltungen auf digital zur Verfügung gestellte Lerninhalte zugreifen. Sämtliche Hörsäle an der Fachhochschule Bad Münstereifel, in denen die iPads zum Einsatz kommen, wurden zwischenzeitlich mit WLAN ausgestattet. Die Ausstattung der Wohnräume ist bereits in die Wege geleitet, aber noch nicht flächendeckend umgesetzt. Aufgrund der derzeit bestehenden Lieferengpässe bei Elektronikartikeln ist es hier bedauerlicherweise zu Verzögerungen gekommen. Diese dürften aber voraussichtlich im Laufe des Jahres behoben sein.
Eine Verwendung der iPads im Begleitunterricht während der fachpraktischen Ausbildung befindet sich ebenfalls in der Umsetzung. Die Ausbildung in Studium und Praxis wird so auch der fortschreitenden Digitalisierung angepasst. Die Rückmeldungen der Anwärterinnen und Anwärter sind bislang durchweg positiv. Daher soll die Pilotierung auch auf die Rechtspflegeranwärterinnen und -anwärter des Einstellungsjahrgangs 2022 ausgeweitet werden.
Eine Übertragung auf die weiteren justizinternen Ausbildungsgänge ist im Rahmen der derzeit laufenden Pilotierung zunächst noch nicht vorgesehen. Hierüber wird nach Abschluss der Pilotierung entschieden werden. Ich bin aufgrund der bisherigen Erfahrungen aber zuversichtlich, dass die Pilotierung insgesamt zu einem positiven Ergebnis führen wird.