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Sind wir bereits gleichberechtigt?! „SHE connects“- der Praxisworkshop

Gesellschaftspolitik
15. November 2023

Während der Großteil des Rheinlandes am Samstag in die fünfte Jahreszeit startete, saßen rund 20 junge engagierte Frauen und Männer für ein bedeutsames Thema in Düsseldorf zusammen. Beim Praxisworkshop „SHE connects“ ging es rund um Fragen von Gleichberechtigung im Öffentlichen Dienst und alltäglichen Leben.

Im Voraus zum Praxisworkshop „SHE connects“ hatte die dbb jugend nrw bereits mit einer Reihe von abendlichen Online-Talks durchgestartet. Darunter vielen hochkarätige und inspirierende Gästinnen. Auch zum Praxisworkshop durfte die dbb jugend nrw spannende Referentinnen (erneut) begrüßen. So waren Diana Wedemeier, als Landesfrauenvertreterin des DBB NRW und Tanja Küsgens, Beisitzerin der Geschäftsführung der dbb bundesfrauenvertretung, vor Ort. In drei Workshop-Runden wurde zu Teilzeit und Beurlaubung, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, sowie Networking diskutiert, sich ausgetauscht und Neues dazugelernt.

Landesjugendleiterin Susanne Aumann begrüßte zu Beginn der Veranstaltung auch die Männer, die zu der Veranstaltung gekommen waren, mit den Worten: „Es geht hier nicht um ein WIR gegen SIE, sondern darum alle gemeinsam etwas zu verändern. Gleichberechtigung lässt sich nicht nur von einer Seite erreichen und kann nicht gelöst werden, indem eine Seite abgeschwächt wird.“

Ungleiche Umstände im Beruf

Im Rahmen des ersten Workshops kam zur Sprache, dass Frauen leider häufig nicht vollumfänglich bewusst ist, welche Konsequenzen eine Teilzeit-Beschäftigung später für ihre Pension bzw. Rente hat. Sie laufen so bei einer Trennung eher Gefahr in Altersarmut zu verfallen. Der Unterschied der Teilzeit-Anteile bei Frauen und Männern ist enorm. Frauen sind um ein Vielfaches häufiger in Teilzeit beschäftigt als Männer. Eine Teilzeit-Beschäftigung geht häufig damit einher, dass Frauen keine Führungsposition erhalten. Hier muss sich dringend etwas verändern, denn wie Tanja Küsgens aufzeigte, wird eine Teilzeit-Beschäftigung nie grundlos gewählt. Gründe können sowohl eine fehlende Kinderbetreuung sein, als auch die Pflege von Angehörigen oder der Wunsch nach mehr freier Zeit für die eigene seelische Gesundheit. Durch eine frühzeitige Berechnung der Pensions- bzw. Rentenhöhe können Auswirkungen sichtbar werden und Entscheidungen bewusster getroffen werden.

Die Tatsache, dass Deutschland EU-weit immer noch unter den Top 3 der Schlusslichter beim Gender Pay Gap ist, erschreckte die Teilnehmenden. Der Gender Pay Gap zeigt den Abstand zwischen dem Entgelt der Männer und dem der Frauen. Auch, wenn im Öffentlichen Dienst für ein und dieselbe Stelle erstmal kein unterschiedliches Entgelt gezahlt wird und damit die Lücke dort geringer ausfällt als in der freien Wirtschaft, gibt es trotzdem Faktoren, die eine ungleiche Bezahlung bedingen. Dazu gehört beispielsweise die Vergabe von Führungsaufgaben oder die Verteilung von zusätzlichen Aufgaben, die zu einem höheren Entgelt führen. Besprochen wurde auch, dass der Öffentliche Dienst im besten Fall als ein Abbild der Gesellschaft gesehen werden kann. Dies sei aber nicht nur, was die Verteilung von Frauen und Männern in Führungspositionen betrifft, ein Thema. Hier kommen auch weitere Faktoren hinzu wie die geringe Beschäftigung von Menschen mit Migrationshintergrund.

Diana Wedemeier machte deutlich, dass Frauen häufiger noch sagen „ich habe Glück gehabt, dass ich diese Stelle bekommen habe“ und nicht „ich habe mir die Stelle mit viel Einsatz erarbeitet“. Das zeigt auf, dass für Frauen weiterhin noch Glück dazu gehört in höhere Stellen zu kommen und eigene Leistung geringschätzig betrachtet wird. Hier können Frauen auch selbst etwas Veränderung bewirken, indem sie sich selbst und ihrer Leistung mehr Raum geben und zutrauen.

Frauen erleben weiterhin Diskriminierung und sexuelle Übergriffe

Die Teilnehmenden machten in ihren Berichten deutlich, dass sie vor ihrem Einstieg ins Berufsleben zum größten Teil immer dachten, dass sie doch gleichberechtigt wären. Doch spätestens mit Einstieg in die Ausbildung wurde ihnen deutlich, dass dies nicht der Fall ist. Allen Anwesenden konnten diverse Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Berufs- und Ausbildungsleben benennen. Die ursprüngliche Haltung, dass eine Quotierung nicht nötig sei, haben viele mit der Zeit abgelegt. Es reicht eben nicht aus, dass man hervorragend qualifiziert sei und sehr gute Arbeit leiste. Doch nicht nur Ungleichbehandlungen in Bezug auf Beförderung, Redeanteile oder auch Aufgabenverteilung wurden benannt. Denn erschreckender Weise wurde deutlich, dass fast alle Frauen von eigenen oder bekannten sexuellen Übergriffen berichten konnten.

Diana Wedemeier, Vorsitzende der DBB Frauenvertretung in NRW, stellte dabei nochmal klar, welche Möglichkeiten es für Betroffene gibt und, dass niemals ein Outfit „schuld“ daran sein könnte. Relevant sei, frühzeitig Hilfe zu holen, Zeugen anzusprechen, Hilfe anzufordern, nicht den Fehler bei sich zu suchen und Unterstützung in der Kollegschaft zu suchen, wenn solche Situationen aufkommen.

Viele Teilnehmerinnen berichteten zudem davon, dass sie im beruflichen Kontext, gerade nach einer Heirat, häufig gefragt würden, wann sie denn nun schwanger werden würden. Das ist nicht nur übergriffig, weil es das Privatleben betrifft, sondern auch, weil Frauen, die möglicherweise einen unerfüllten Kinderwunsch haben, dadurch immer wieder emotional verletzt werden. Die Teilnehmerinnen klagten auch darüber, dass es bei ihnen viel häufiger um das äußere Erscheinungsbild ginge als bei ihren männlichen Kollegen. Hier können alle Beschäftigten daran mitwirken, dass sich das verändert. Dies kann dadurch gelingen, dass solche Gesprächsinhalte weder angeregt werden noch unterstützt werden, wenn sie aufkommen.  Auf der Seite der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gibt es zahlreiche Informationen zum Umgang mit Diskriminierung und Möglichkeiten einer Beratung.

Es braucht mehr weibliche Vorbilder

Als Überraschungs-Gästin besuchte Britta Zur, Juristin, Beigeordnete der Landeshauptstadt Düsseldorf, Richterin & Staatsanwältin a.D. und Polizeipräsidentin a.D. die Veranstaltung. Sie sprach an, dass es immer noch zu wenig weibliche Vorbilder gibt. Daher sei es umso wichtiger, dass Frauen in höheren Funktionen Präsenz zeigen. Außerdem machte sie Mut, Emotionen zu zeigen und Führung so menschlicher zu machen.

Der Tag wurde nicht nur für inhaltliche Arbeit genutzt, sondern auch fürs Netzwerken. Ein gutes Netzwerk ist sowohl im privaten wie auch beruflichen Umfeld wichtig. Doch man muss sich im Klaren sein, dass ein Netzwerk Zeit und Arbeit bedarf. Man kann nicht nur nehmen und nicht geben, sondern muss sein eigenes Können und Wissen teilen wollen. Dabei ist es nicht nur sinnvoll, Personen zu wählen, die einem ähnlich sind, sondern auch Personen, die möglichst unterschiedlich sind. Denn je größer die Unterschiede, desto mehr neue Kontakte und Einflüsse können getauscht werden.

Im weiteren Austausch des Seminars kam es zu der Erkenntnis, dass es immer wichtig ist, im Leben seine Schubladen offenzuhalten und Menschen nicht zu schnell zu be- oder verurteilen. Denn Vielfalt und Gleichberechtigung sind nicht nur ein richtiger und wichtiger Weg, sondern auch ein kluger.

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