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Justizminister: „Ein Angriff auf einen öffentlich Bediensteten ist ein Angriff auf den Staat“

Gewalt gegen Beschäftigte
30. August 2024

Null-Toleranz-Erklärungen gegen Gewalt, Sonderdezernate bei den Staatsanwaltschaften und bessere Schutzausrüstungen – es wird einiges für den Schutz öffentlich Beschäftigter getan. Dennoch bleibt die Zahl der Angriffe auf hohem Niveau. Beleidigung sei dabei oft nur die „Einstiegsdroge“ in die Gewaltkriminalität, sagt NRW-Justizminister Limbach bei der Sicherheitskonferenz der dbb jugend nrw.

NRW-Justizminister Dr. Benjamin Limbach kam unter den Eindrücken der Terror-Attentate von Solingen. „Die Angriffe haben sich gegen unschuldige Bürgerinnen und Bürger gerichtet und nicht nur Solingen in einen Schockzustand versetzt. Sie zeigen aber auch, wie wichtig der Öffentliche Dienst ist und wie gut er funktioniert“, mit diesen Worten eröffnete Limbach die 10. Sicherheitskonferenz der Deutschen Beamtenbund-Jugend NRW (dbb jugend nrw), zu der er als Keynote-Speaker gekommen war.

Rettungskräfte seien schnell vor Ort gewesen und die Polizei habe den Tatort sofort geräumt, ohne eine Panik auszulösen. Das zeige, welch starken Öffentlichen Dienst, aber auch welche Bedrohungslage wir hätten, formuliert der Justizminister.

Wir müssen als Justiz klar machen, dass es in unserem Land vollkommen unnötig ist, sich mit Messern auszustatten. Es darf keinen Grund geben, eine Waffe mit sich zu führen.

Dr. Benjamin LimbachMinister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen

Grundsätzlich sei zu beobachten, dass die Mitnahme von Messern wieder zunehme. Das habe auch starke Auswirkungen auf viele Beschäftigte im Öffentlichen Dienst. Kein Tag vergehe, ohne dass die Medien von neue Übergriffen auf Polizistinnen und Polizisten, Rettungskräfte, Außendienstmitarbeitenden der Finanzverwaltungen oder auch der Bahn- und Busbetriebe zu entnehmen seien, führt Susanne Aumann, Vorsitzende der dbb jugend nrw zu Beginn der Sicherheitskonferenz aus.

Aus verschiedenen Beschäftigungsbereichen des Öffentlichen Dienstes waren junge Beschäftigte aus ganz NRW zur Konferenz angereist. Auch sie berichteten über eine immer weiter abnehmende Hemmschwelle zur Gewalt. „Nicht ohne Grund haben wir zum Beispiel die Gerichtsvollzieher mit stichsicheren Westen ausgerüstet“, erläutert Limbach als eine Maßnahme, um den Schutz Beschäftigter im Öffentlichen Dienst zu erhöhen. Auch im Einrichten von Messerverbotszonen sieht er ein Mittel, um den Schutz öffentlich Beschäftigter wie auch die öffentliche Sicherheit aller generell zu erhöhen.

„Wir müssen als Justiz klar machen, dass es in unserem Land vollkommen unnötig ist, sich mit Messern auszustatten. Es darf keinen Grund geben, eine Waffe mit sich zu führen“, erklärt er. Er sei diesbezüglich für harte Durchsetzungsmaßnahmen.

NRW-Justizminister Limbach war Keynote-Speaker auf der 10. Sicherheitskonferenz der dbb jugend nrw

Diese sehen die dbb jugend nrw wie auch der NRW-Justizminister zudem in einer zeitnahen strafrechtlichen Verfolgung nach Übergriffen auf Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes. Zu diesem Zweck, erläutert Limbach, seien unter anderem 15 von 19 Staatsanwaltschaften in NRW mit entsprechenden Sonderdezernaten ausgestattet. In zwei weiteren Staatsanwaltschaften nehmen solche Dezernate in Kürze ihre Arbeit auf.

7 von 10 Angriffen auf Öffentlich Beschäftigte werden nicht angezeigt. Hier sind Dienstherrn und Arbeitgeber gefragt, nach Übergriffen den Betroffenen Unterstützung zu geben.

Susanne AumannVorsitzende dbb jugend nrw

Ergänzend dazu habe es einen Erlass gegeben, der die konsequente Strafverfolgung zum Ziel habe. Ein entsprechender Erlass bezwecke, dass angezeigte Fälle nach Möglichkeit nicht wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, sondern möglichst in jeder dieser Straftaten ermittelt werde.

Dazu jedoch sei es notwendig, dass jeder Angriff auch zur Anzeige gebracht werde, sagt Aumann. Derzeit ist das nicht der Fall. 7 von 10 Angriffen würden gar nicht angezeigt. Unter anderem liege das an mangelnder Unterstützung durch Dienstherrn und Arbeitgeber, fasst die Vorsitzende des gewerkschaftlichen Jugenddachverbandes zusammen.

Limbach: „Beleidigung ist Einstiegsdroge in Gewaltkriminalität“

Hier sieht auch Limbach die Dienstherrn in der Pflicht, Anzeige für die Beschäftigten zu erstatten. Das nehme oftmals den Druck von den Opfern. Wenn auch die Belastung durch Übergriffe für einzelne Beschäftigte unterschiedlich hoch sei, gehe es um Delikte von Nötigung über Beleidigung bis hin zu körperlichen Angriffen. „Beleidigung ist hier oft die Einstiegsdroge in die Gewaltkriminalität“, sagt Limbach.

Zwar sei dabei auf den ersten Blick der einzelne das Opfer, in zweiter Linie seien es jedoch auch alle Kolleginnen und Kollegen. „Angegriffen sind eigentlich alle – auch wenn es diesen einen Menschen stellvertretend getroffen hat“, sagt Limbach. Angegriffen sei in letzter Dimension zudem der Staat. „Wir werden als Gesellschaft angegriffen“, fasst der Justizminister zusammen.

In einer überindividualisierten Gesellschaft rücke oftmals der Blick von der Gemeinschaft nach hinten. Man erlebe zunehmenden Egoismus, gesteigerte Anspruchshaltung und die Abkoppelung einzelner vom Staat, sagt Limbach. Es sei darum eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, aufeinander aufzupassen und im eigenen Umfeld einzelne von Übergriffen und Streit abzuhalten.

#sicherimDienst sorgt für Vernetzung in Sachen Schutz

Letztlich sei ein Bündel an Maßnahmen aus Prävention, Vernetzung, Anzeige und Nachverfolgung zielführend, sind sich Aumann und Limbach einig. Eine besondere Bedeutung komme dabei der von der Landesregierung initiierten Initiative #sicherimDienst zu, die Schutzmaßnahmen landesweit bündelt, bereichsübergreifende Projekte langfristig fördern will und durch Forschung begleitet. Die dbb jugend nrw setzt sich darum nicht nur seit acht Jahren mit ihrer Kampagne „Gefahrenzone Öffentlicher Dienst“ für eine Verbesserung ein, sondern ist auch seit dem Start von #sicherimDienst im Jahr 2021 in deren Koordinierungsgruppe aktiv.

Im persönlichen Austausch mit den jungen Beschäftigten machte Limbach deutlich: „Wir brauchen eine Kultur der Wertschätzung, sich zu kümmern, Dinge zur Anzeige zu bringen. Wir sind alle Teil dieses gesamtgesellschaftlichen Auftrags.“ Auch weiterhin werde sich die dbb jugend nrw daneben für starke Netzwerke und ein Bündel an Maßnahmen einsetzen, um auf dem Weg gegen Gewalt gegen die Beschäftigten weiterhin voran zu kommen, betonte Aumann abschließend.

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