Skip to main content
Aufstellschild "Hier gilt die 3G-Regel"

Welche Folgen hat die Pandemie für unsere Demokratie?

Gesellschaftspolitik
12. Januar 2022

Die Pandemie bringt die Demokratie zum Knirschen, finden manche. Entscheidungen würden zu langsam getroffen, Querdenker brüllten zu laut, Frust mache sich breit. Ist das wirklich so? Regierungsforscher Martin Florack wirkte in der Enquetekommission „Stärkung der Demokratie NRW“. Hier gibt er Antworten.

Wie kommen Demokratien im Vergleich zu anderen Systemen durch die Pandemie?

Florack: Es ist zu früh, eine Bilanz dazu ziehen, ob Demokratien besser, schlechter oder gleich gut als autokratische Systeme darin sind, die Pandemie zu bekämpfen. Die Erfahrung zeigt, dass Demokratien sehr anpassungsfähig sind und vor allen Dingen als lernende Systeme viel besser aufgestellt sind, mit Ungewissheit und Unsicherheit um­zu­gehen. Die Annahme, dass China zum Beispiel die Pandemie viel besser im Griff hätte, wäre also eine gewagte These.

Wenn Sie den Vergleich schon anstellen: Was sind denn die Vorteile von Demokratien?

Florack: Demokratien sind sehr gute Problemlöser. Das sieht man auch bei anderen Problemen als der Pandemie. Denn in einer Demokratie gibt es eingebaute Korrekturmechanismen. Sie sind vielleicht nicht immer die Schnellsten. Aber Schnelligkeit ist ja umgekehrt auch nicht unbedingt vorteilhaft beim Treffen richtiger Entscheidungen. Sie verhindert nicht, dass man schon über die Klippe springt und es erst dann merkt, dass es die falsche Richtung gewesen ist. Die Bilanz von Demokratien ist in der Vergangenheit gut. Es würde mich sehr wundern, wenn es am Ende der Pandemie anders aussähe.

Rührt also die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nicht daher, dass unsere Demokratie zu langsam Ent­scheid­ungen trifft?

Florack: Wir haben bislang gesehen, dass sowohl Regierungen wie auch Parlamente schnelle Ent­schei­dungen treffen können – beispielsweise beim In­fek­tions­schutz­gesetz. Das war eine Frage von Tagen. Das normale Gesetzgebungsverfahren dauert hingegen mehrere Monate. Ich glaube, dass die Unzufriedenheit der Menschen nicht daher rührt, was möglich ist oder was nicht. Es besteht ein Missverständnis darüber, was die Aufgabe von Politik in so einer Situation ist. Die Aufgabe liegt nicht darin, eine Entscheidung von richtig oder falsch zu treffen, wenn beispielsweise die Wissen­schaft etwas vorschlägt. Die Aufgabe von Politik liegt darin, herauszufinden, ob es eine Mehrheit für eine Position gibt und danach eine demokratische Ent­schei­dungs­findung herbeizuführen. Politische Ent­schei­dungen können häufig nicht erst dann getroffen werden, wenn richtig und falsch ausdiskutiert ist. Es geht viel­mehr darum, unter Bedingungen von Unsicherheit Ent­schei­dungen zu treffen, die in der Lage sind, ge­sell­schaft­liche Konflikte auf Zeit zu befrieden. Es ist das Wesen von Politik, Entscheidungen zu treffen und ge­ge­benenfalls auch mit Dilemmata zu leben.

Mit Politikwissenschaftler Martin Florack sprach die dbbj nrw über die Folgen der Pandemie

Zur Person

Martin Florack ist Politikwissenschaftler und arbeitet derzeit als Projektleiter im Landtag Rheinland-Pfalz. Er ist Fellow der NRW School of Governance der Uni­ver­si­tät Duisburg-Essen, an der er als Politik­wissen­schaftler arbeitete. Zuvor gehörte er der Enquete-Kommission des Landtags NRW „Sub­sidiari­tät und Parti­zipa­tion – Stär­kung der Demokratie“ an und gab im Jahr 2021 das Buch „Coronakratie – De­mo­kra­tisches Regieren in Aus­nahme­zeiten“ mit heraus.

Demokratien funktionieren nach dem Prinzip der Ge­wal­ten­teilung. Haben sie das Gefühl, im Moment reiben sich die Gewalten aneinander auf?

Florack: Das ist das Missverständnis von Gewaltenteilung. Wir haben ja keine Teilung der Gewalten, sondern wir haben eine Funk­tions­auf­teilung. Alle Gewalten müssen zusammenarbeiten. Es geht darum, die unter­schied­liche Ausübung von Gewalten so miteinander zu ver­schrän­ken, dass sie sich wechselseitig hemmen, kontrollieren, aber auch befördern können. Es wäre also ein Missverständnis der parlamentarischen Demokratie, wenn man den Eindruck erweckt, es handele sich um ein System drei völlig unabhängig voneinander arbeitender Säulen.

Mehr dazu

Gesellschaftspolitik

Sexuell übertragbare Krankheiten auf dem Vormarsch

Sexuell übertragbare Krankheiten, wie zum Beispiel Syphilis, sind auf einem Höchststand. Kondome zu benutzen wird bei jungen Menschen immer unbeliebter. Eigentlich täte Prävention Not, wie sie die Aidshilfe Düsseldorf e.V. unter anderem in Schulen anbietet. Doch die ist in Gefahr, denn das Land plant massiv Mittel zu kürzen. Eine Nachricht, die besonders zum Weltaidstag ein seltsames Signal ist.
1. Dezember 2024
Verbandsleben

Infotage an Hochschulen des Öffentlichen Dienstes

Zum Auftakt des neuen Ausbildungsjahres unterstützte die dbb jugend nrw auch in diesem Jahr wieder ihre Fachgewerkschaften bei der Vorstellung der Gewerkschaftsarbeit an den Hochschulen des Öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen. An Infoständen in Bad Münstereifel und zweimal in Dortmund begrüßten die Gewerkschafter die neuen Studierenden mit kleinen Geschenken und guten Gesprächen.
29. November 2024

Mehr dazu

Unterführung

Düstere Aussichten für „Generation Corona“

Jeder Zehnte in Deutschland ist zwischen 15 und 24 Jahre alt. Auf diese jungen Menschen schauen Zukunftsforscher mit Sorge. Denn sie trifft die Pandemie in einer Zeit wichtiger Entwicklungsbereiche: dem Erwachsenwerden, der Part­ner­suche und der Berufswahl. Was werden die Folgen für diese Generation sein?
2. Februar 2022
weiße OP-Maske

Was in der Pandemie für Frust sorgt

Immer wieder machen sich Querdenker und Coronaleugner in Pro­testen Luft. Es wird über Vertrauensverlusten in der Demokratie dis­ku­tiert. Die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes geraten als Vertreter des Staates bei ihrer täglichen Arbeit oft unter Beschuss. Was ist los in Deutschland? Regierungsforscher Martin Florack ordnet ein.
19. Januar 2022

Corona-Pandemie: junge Menschen stark belastet

Auch wenn von Corona keiner mehr so recht sprechen will – die Probleme dauern an. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sind von den Folgen der Pandemie betroffen, belegt eine Studie des Deutschen Jugendinstituts. Was belastet die 15- bis 25-Jährigen besonders?
12. September 2022

© 2024 dbb jugend nrw